Michael P. ist seit Jahrzehnten zur Stelle, wenn es gegen Israel geht. Er ist einer jener älteren Männer, die als Vertreter des sogenannten linken Antisemitismus in Österreich gelten. Seine Aussagen zum Massaker der Hamas haben P. ein Gerichtsverfahren eingebracht. Ihm wird Aufforderung zu terroristischen Straftaten und die "Gutheißung terroristischer Straftaten" vorgeworfen. Für P. ist es ein "ein politischer Prozess", wie er dem STANDARD sagt.

Szenen einer Demo in Wien

Noch während die Kommandos der Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel mordeten, hielt P. vor dem Wiener Stephansdom eine Rede. Er sprach von einem "heroischen Aufstand" des "palästinensischen Widerstands", von einem "gerechten Krieg", der bedingungslos unterstützt werde. Seine auf Englisch gehaltene Ansprache beendete er mit dem Satz "Down with the Zionist State". Wenige Tage später, am 14. Oktober, verteilte P. bei einer antiisraelischen Kundgebung ein Flugblatt, in dem zu lesen war: "Wir unterstützen den Kampf für die Zerstörung des zionistischen Staates und das Recht auf Rückkehr für alle palästinensischen Flüchtlinge."

"Gutheißung terroristischer Straftaten"

Diese und weitere Aussagen bei einer polizeilichen Einvernahme brachten P. ein Verfahren beim Landesgericht Wien ein. Er steht am Donnerstag, dem 2. Mai, in Wien wegen "Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung terroristischer Straftaten" vor Gericht. Auf STANDARD-Anfrage bezeichnet er nun die Hamas als "kleinbürgerlich-islamistische Bewegung", deren Weltanschauung er "ablehne", ebenso wie er "Angriffe gegen unschuldige Zivilisten" ablehne.

Erst vergangene Woche wurde eine Studentin wegen Gutheißens terroristischer Straftaten rechtskräftig zu drei Monaten bedingter Haft verurteilt. Wenige Stunden nach dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 kommentierte die Angeklagte einen Zeit im Bild-Bericht auf Facebook mit der Bemerkung "Free Palästina. Endlich! Danke, Gott".

Es gab bereits mehrere antiisraelische Kundgebungen in Wien. Hier ein Bild vom Stephansplatz im Oktober 2023.
APA/TOBIAS STEINMAURER

P. ist der Wortführer einer linken Splittergruppe, die sich Revolutionär-Kommunistische Internationale Tendenz (RCIT) beziehungsweise Revolutionär-Kommunistische Organisation zur Befreiung (RKOB) nennt und weitgehend isoliert ist. Auf der Homepage der Organisation ist zu lesen, dass "Unterstützer des Apartheid- und Terrorstaates Israel" hinter der Anklage stecken, die versuchen, die "Solidarität mit Palästina zu kriminalisieren und zu unterdrücken".

P. gilt in der Linken als "Narzisst, der sich selbst gerne als paternalistischer, weißer Erretter der Muslime und Muslima gibt, indem er ihnen ihre eigene Unterdrückung erklärt und sie in den pseudorevolutionären Widerstand führen möchte", wie die Politikwissenschafterin Tina Sanders im Jahr 2016 in scharfen Worten festhielt. Früher war P. bei einer anderen trotzkistischen Splittergruppe namens Arbeiterstandpunkt aktiv, die sich mittlerweile Arbeiter*innenstandpunkt nennt.

Beachtliche Aussagen zum 2. November 2020

Bei antiisraelischen Demonstrationen tritt P. immer wieder als radikaler Einpeitscher und Redner auf. In der Vergangenheit fiel seine RKOB auf, als sie bei einer Demonstration von Schülerinnen und Schülern den Ausschluss einer linken jüdischen Organisation forderte und diese als "Kindermörder", "Rassisten" und "Faschisten" darstellte. Neben derartigen Forderungen fällt die Gruppe immer wieder mit ihren Aussagen zu Islamisten auf. Nachdem ein Jihadist des sogenannten Islamischen Staates (IS) am 2. November 2020 vier Menschen in Wien getötet hatte, machte die RKOB die "Demütigung von Muslimen" und "islamophobe Hasskampagnen" für das Attentat mitverantwortlich. Eine Aussage, die sich wie eine Rechtfertigung anhört. Jahre zuvor solidarisierte sich P. mit dem österreichischen Jihadisten Mohamed M., als dieser wegen Terrordelikten in Wien vor Gericht stand. Später tauchte M. im Kalifat des IS auf und ermordete für ein Propagandavideo zwei Menschen.

Verharmlosung des NS-Terrors

Zum Start des Prozesses gegen P. soll es eine Solidaritätskundgebung geben. Er wird von der "Palästinenser Solidarität Österreich" (PSÖ) unterstützt, einer Sammlung weiterer Splittergruppen, deren Wortführer ebenfalls ältere Männer sind. PSÖ-Sprecher Willi L. bezeichnete in einem Profil-Interview das Massaker der Hamas als "Ausbruchsversuch der Palästinenser aus dem Freiluftgefängnis Gaza", der "mit dem Ausbruchsversuch der Juden aus dem Warschauer Ghetto verglichen werden" könne. Eine infame Verharmlosung NS-Terrors. Derartige Verharmlosungen, Relativierungen und boshafte Vergleiche sind auf fast allen israelfeindlichen Demonstrationen oder Veranstaltungen zu hören.

Dazu passt, dass die PSÖ gegen das NS-Verbotsgesetz auftritt. Gleich in mehreren Artikeln auf ihrer Homepage wettert sie dagegen. Demnach wurde das NS-Verbotsgesetz im Kontext "der unbedingten Treue zum zionistischen Siedlerkolonialismus" novelliert. Es wird vermutet, dass ein "Instrument der Gesinnungsjusitz" geschaffen wurde, das gegen das "Eintreten für das Anliegen Palästinas" zum Einsatz komme. Auch sei es Teil der "Nationalen Strategie gegen Antisemitismus" der Regierung, in der auch der "antiisraelische/antizionistische Antisemitismus" erwähnt wird. Seitens der PSÖ wird zusätzlich darauf hingewiesen, dass das "NS-Verbotsgesetz ein Verfassungsgesetz" und "schon lange Zeit mit Grund umstritten" ist. Das war bisher nur von Neonazis und Holocaustleugnern zu hören.

Tatsächlich stellt die Novelle, die seit Anfang Jänner dieses Jahres in Kraft ist, jegliches – und nicht nur "gröbliches" – Verharmlosen des Holocaust und anderer nationalsozialistischer Gräuel unter Strafe. Damit könnten Parolen und Aussagen bei israelfeindlichen Kundgebungen tatsächlich strafbar sein. Zusätzlich wurde mit der Novelle die Ahndung von im Ausland begangenen Delikten und das Einziehen von NS-Devotionalien erleichtert. Wer als Beamtin oder Beamter wegen Wiederbetätigung verurteilt wird, wird aus dem Staatsdienst ausgeschlossen. Die FPÖ stimmte als einzige Partei im Parlament gegen die Novelle. (Markus Sulzbacher, 30.4.2024)