Eine Beißhemmung gegenüber der FPÖ kann man der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nicht unterstellen. Ihre Oberstaatsanwälte haben Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache bislang zweimal erfolglos angeklagt, zudem liefen und laufen eine Vielzahl weiterer Verfahren rund um die blaue Regierungsbeteiligung 2017 bis 2019.

FPÖ-Chef Herbert Kickl und sein Vorvorgänger Heinz-Christian Strache werden als Verdächtige geführt.
REUTERS/Leonhard Foeger

Wenn die WKStA also in blauen Chats rund um Inserate "keinen Anfangsverdacht" erkennen kann, weil diese zu vage seien, die Oberstaatsanwaltschaft aber dennoch sofortige Ermittlungen anordnet, dann ist das durchaus bemerkenswert. Bislang schien es meist umgekehrt – dass die Oberbehörden den Korruptionsjägern Verfahren angeblich "abdrehen", war Thema mehrerer U-Ausschüsse.

Inseratenkorruption als Plage

Prinzipiell ist es zu begrüßen, wenn Verdachtsmomente genau aufgeklärt werden. Außer Frage steht auch, dass Österreich von Inseratenkorruption verseucht ist. Wenn der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache bei Österreich-Herausgeber Wolfgang Fellner interveniert, wer in dessen Oe24.tv auftreten soll und das offensichtlich an das Thema Inserate knüpfte, ist das ein Symptom für diese Plage.

Dass die Oberstaatsanwaltschaft gegen die Einschätzung der WKStA per Weisung Strache, Fellner, den aktuellen Parteiobmann Herbert Kickl und drei weitere gewichtige FPÖ-Spitzenpolitiker zu Verdächtigen macht und diese Informationen prompt an den U-Ausschuss liefern lässt, sorgt allerdings für Bauchweh. Das von der politischen Konkurrenz lang ersehnte Ermittlungsverfahren gegen Kickl ist also – endlich – da.

Pyrrhussieg

Wahltaktisch könnte sich das allerdings als Pyrrhussieg erweisen. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens an sich ist nicht so viel wert, wie manche in der politischen Arena glauben. Auch die türkise ÖVP irrte, als sie meinte, der damalige Kanzler Sebastian Kurz sei nur aufgrund des Verfahrens an sich aus der Politik "gedrängt" worden.

Vielmehr geht es um die Inhalte, die von Ermittlungen zutage gefördert werden, und um deren politische Bewertung. Mit den Chats, die Sebastian Kurz empfing und schickte, ging sich eine Kanzlerschaft nicht mehr aus. Von Kickl ist hingegen derzeit kein einziger problematischer Chat überliefert; er landete offenbar nur im Verfahren, weil er in einer Chatgruppe mit Strache war, in der vom Inseratenstopp geredet wurde. Seine Gegner werden andere Wege finden müssen, um am Wahltag vor ihm zu landen. (Fabian Schmid, 30.4.2024)