Lassen sich die Chats des damaligen Vizekanzlers und FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache und von Österreich-Herausgeber Wolfgang Fellner über Inseratenstopps und Inseratenfreigaben in den Daten über öffentliche Werbebuchungen nachvollziehen? Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) rechnete sich durch die laut Medientransparenzgesetz veröffentlichten Quartale der Jahre 2018 und 2019, in denen die Strache-FPÖ mitregierte.

Fellner-Medienmarken
Fellner-Medienmarken "Österreich" und "Oe24".
Harald Fidler

Ein Zusammenhang mit den Chats ließ sich laut dem STANDARD vorliegenden Berechnungen der WKStA mit den nur quartalsweise vorliegenden Daten der Medientransparenz nicht nachvollziehen; dafür bräuchte man wöchentliche Daten. Eine "merkliche Bevorzugung" der Fellner-Mediengruppe gegenüber Heute und Krone aber ist für die Prüfer offenkundig.

Die WKStA analysiert die Werbebuchungen der Regierung im Boulevardsegment insgesamt, dazu zählt sie Kronen Zeitung, Heute und Mediengruppe Österreich mit allen veröffentlichten Buchungen und in allen in den Medientransparenzdaten verfügbaren Erscheinungsformen. Studien über die Medientransparenzdaten attestieren den österreichischen Bundesregierungen in den vergangenen Jahren regelmäßig besonders intensive Werbebuchungen in Boulevardmedien.

Die WKStA vergleicht die Boulevard-Buchungen der Regierung insgesamt mit den Ausgaben von vier der sechs damals von der FPÖ besetzten Ministerien mit Relevanz in den Chats über Medienkontakte und Werbebuchungen (DER STANDARD berichtete hier und hier ausführlich):

Die Ressorts dieser vier blauen Regierungsmitglieder waren laut WKStA-Analyse für 36,8 Prozent der gesamten Regierung mit acht Ministerinnen und Ministern der ÖVP und sechs der FPÖ verantwortlich. In der Krone, weitaus reichweitenstärkste Zeitung im Land, stellten die vier Minister der FPÖ 31 Prozent der Regierungsbuchungen, in Heute, damals Nummer eins in Wien, 38,3 Prozent und in der Mediengruppe Österreich der Fellners 42,7 Prozent.

Die WKStA untersuchte zudem die Buchungen aller sechs FPÖ-geführten Ressorts in den drei Boulevardgruppen und kam hier auf noch deutlichere Ergebnisse:

In den "Schlussfolgerungen" der Analyse heißt es: Die Werbebuchungen der FPÖ-geführten Ministerien in der Mediengruppe Österreich entsprachen 51 Prozent der Ausgaben der Bundesregierung dort. "Dies stellt eine merkliche Bevorzugung der MGÖ dar, da der FPÖ-Anteil für Boulevardwerbung der Bundesregierung rund 44 Prozent ausmacht. Diese Verteilung der Werbemittel spiegelt eine deutliche Unterdotierung z. B. der Krone-Zeitungsgruppe (Reichweitenführer) wider."

Die WKStA verweist auch auf einen "merklichen Anstieg zum Vorquartal" der Buchungen im ersten Quartal 2019 bei den Ministerien von Strache, Kickl und Hofer, also etwa in der Zeit der Chats; bei Kunasek aber einen Rückgang. Die Ermittlungsbehörde betont aber auch, dass es über die Zeit immer wieder Schwankungen zwischen stärkeren und schwächeren Quartalen gab.

Fellner weist Vorwürfe zurück

In den Chats mit Wolfgang Fellner und unter freiheitlichen Regierungsmitgliedern regen sich Strache und Co etwa darüber auf, dass auf Oe24TV der "FPÖ-Hasser" Ewald Stadler als Experte zu Wort kommt, und drohen mit Inseratenstopp, nehmen dies dann wieder zurück, weil Fellner eingelenkt habe. Fellner verspricht in den Chats, den gewünschten Andreas Mölzer einzusetzen – wenn der bereit ist zu kommen.

Gegenüber dem STANDARD erklärte Fellner, seine Medien hätten kritisch und distanziert über die FPÖ berichtet, es gebe keinen Zusammenhang zwischen Werbebuchungen und Inhalten, er sei im Übrigen in der Gruppe auch damals nicht für Werbebuchungen zuständig gewesen.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sah in den blauen Chats "keinen Anfangsverdacht" und schlug vor, die Ermittlungen einzustellen. Die Oberstaatsanwaltschaft indes ordnete dennoch sofortige Ermittlungen an. (Harald Fidler, 1.5.2024)