Der Emir von Kuwait, Mishal al-Ahmed al-Sabah, im Dezember 2023 beim Amtseid nach dem Tod seines Halbbruders Nawaf.
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Wirtschaftliche und gesellschaftliche Modernisierung von oben, unter strikter Kontrolle und ohne Demokratisierung: Das ist das Motto einer neuen Herrschergeneration in den arabischen Golfstaaten, deren bekanntester und repressivster Vertreter der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (38) ist. In Kuwait geht die autokratische Wende, die zum Aus des aktivsten Parlaments in der Region führt, jedoch von einem 83-Jährigen aus. Mishal al-Ahmad al-Jaber al-Sabah hat die Nationalversammlung nach Hause geschickt und Teile der Verfassung außer Kraft gesetzt: unter anderem jenen Artikel, der vorsieht, dass das Parlament Verfassungsänderungen mit einer Zweidrittelmehrheit absegnen müsste.

In den nächsten vier Jahren soll das System "revidiert" werden. Es hatte tatsächlich dysfunktionale Züge entwickelt, die das superreiche Kuwait im Vergleich mit der Entwicklung der anderen arabischen Golfstaaten ins Hintertreffen geraten ließ. Der Emir führte für seine Entscheidung an, dass er nicht dulden könne, "dass die Demokratie dazu missbraucht wird, um den Staat zu zerstören". Staatsvermögen sei verschleudert worden. Tatsächlich liegt vieles auf Eis, wichtige Reformvorhaben und Infrastrukturprojekte waren durch die politische Lähmung undurchführbar.

Mächtigstes Parlament der Region

Kuwaits Parlament war mächtiger als jedes andere in der Region. Es konnte Kabinettsmitglieder vorladen, beim Staatsbudget mitreden und – für den neuen Emir offenbar ein wichtiger Punkt – dem Herrscher die Zustimmung zur Einsetzung des Thronfolgers verweigern. In seiner Rede zur Auflösung beklagte Mishal unzulässige "Einmischung" des Parlaments in Nachfolgefragen. Die Periode in der kuwaitischen Geschichte, in der der Emir mit der Meinung der Opposition konfrontiert wurde, ist wohl erst einmal zu Ende. Im Februar wurde etwa von den Abgeordneten das Gehalt des Emirs von 160 Millionen US-Dollar jährlich in "ungehöriger" Form debattiert, wie er kritisierte.

Emir Mishal hatte das Amt im Dezember nach dem Tod seines schon lange kranken Halbbruders Nawaf (86) übernommen, der ihm die Geschäfte, aber nicht die Macht, bereits übergeben hatte. Kaum angelobt, brach der neue Emir mit der Versöhnungspolitik von Nawaf, der darauf gesetzt hatte, die Konflikte zwischen Parlament, Regierung und Herrscherhaus gütlich zu lösen.

Emir Nawaf hatte verurteilte Parlamentarier begnadigen und aus dem Exil nach Hause kehren lassen. Er verteilte populistisch – wie ihm seine Kritiker vorwarfen – Geld für Gehälter und Pensionen und vergrämte, wie die Kuwait-Expertin Kristin Smith Diwan vom Arab Gulf States Institute in Washington analysierte, dadurch die einflussreichen Wirtschaftseliten. Diese meint Mishal wohl, wenn er ankündigt, dass die wahren loyalen Kuwaitis wieder honoriert werden sollen.

Angst vor den Muslimbrüdern

In Kuwait gibt es auch die – aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Saudi-Arabien wohlbekannte – Furcht vor zu großem politischem Einfluss von Kräften, die den Muslimbrüdern nahestehen. Aus der Luft gegriffen sind diese Sorgen vor den Islamisten, die durch Wahlen Macht bekommen, nicht. Als regionaler Schutzherr der Muslimbrüder wird immer wieder Katar bezeichnet. Als Saudi-Arabien, die VAE und Bahrain 2017 einen – mittlerweile beendeten – Boykott gegen Katar verhängten, zog Kuwait jedoch nicht mit.

Dass Emir Mishal das Ruder herumreißen würde, hatte sich bald nach seiner Machtübernahme abgezeichnet. Schon im Dezember schickte er die Regierung, der ein Sohn Nawafs vorstand, heim. Im Februar löste er das Parlament auf, kein unüblicher Vorgang in Kuwait, der zu den vierten Wahlen in fünf Jahren führte. Das aus ihnen hervorgegangene Parlament, in dem die Opposition eine Mehrheit hatte, ist nun suspendiert. All seine Funktionen werden von der neu eingesetzten Regierung übernommen.

Erbe des Golfkriegs 1991

Die gewählte Kammer mit 50 gewählten (plus 15 ernannten) Sitzen war in dieser Form eine Folge des Golfkriegs von 1991, in dem eine US-geführte Militärallianz Kuwait von der irakischen Besatzung befreite. Saddam Hussein hatte im August 1990 das Nachbarland überfallen, annektiert und versucht, die kuwaitische nationale Identität auszulöschen. In den Jahren danach übten die USA – denen vorgeworfen wurde, dass sie nur aus Ölinteressen gehandelt hätten – Druck auf das Herrscherhaus aus, semidemokratische Reformen durchzuführen.

Emir Mishal kommt aus dem Sicherheits- und Geheimdienstestablishment, er galt stets als "Mr. Security". Die Tradition der kuwaitischen Außenpolitik, eine gewisse Distanz zu Saudi-Arabien zu wahren, dürfte vorbei sein. Ein schiitischer Ex-Parlamentarier, Walid al-Tabatabai, der den Einfluss gewisser Staaten – gemeint ist Saudi-Arabien – bei der Auflösung des Parlaments beklagte, wurde laut New Arab verhaftet.

Die Entwicklung Kuwaits ist Wasser auf die saudischen Mühlen. Dort hat man schon immer gewusst, dass Demokratie schädlich und gefährlich ist: wie sich auch bei der Protestwelle in Bahrain, im Rahmen des arabischen Frühlings von 2011, zeigte. Bahrain hatte zuvor ebenfalls ein lebhaftes Parlament, in dem oppositionelle Kräfte zu Wort kamen. Heute ist es politisch eine saudische Filiale. (Gudrun Harrer, 15.5.2024)