Apple ist wie kein zweites Unternehmen für seinen Hang zur Geheimhaltung bekannt. Über kommende Neuerungen diskutiert man prinzipiell nicht, intern werden rigide Schutzmaßnahmen ergriffen, damit auch ja nichts vorab durchsickert. Der aktuelle KI-Hype führt nun aber dazu, dass selbst Apple mit dieser Regel bricht. So versicherte Firmenchef Tim Cook in den vergangenen Wochen gleich mehrfach, dass Apple noch dieses Jahr große Vorstellungen aus dem Bereich generative KI plane. Bereits in den kommenden Wochen – also wohl zur Worldwide Developers Conference (WWDC) Mitte Juni – werde man die ersten Details verraten.

Ändert die KI alles am Smarpthone?
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Der Grund für die neue Offenheit bei Apple ist schnell erklärt: Konkurrenten wie Google und Samsung setzen bei ihren aktuellen Top-Smartphones bereits stark auf generative KI. Zudem hat sich bei vielen Analysten der Eindruck festgesetzt, dass Apple in diesem Bereich am falschen Fuß erwischt worden ist, im Vergleich gerade zu Google wenig zu bieten hat. Entsprechend ist es also der Druck der Aktionäre und Aktionärinnen, der Cook nun zu solchen Aussagen treibt.

Ein erster Vorgeschmack

Mit Berufung auf interne Quellen bei Apple hat AppleInsider bereits jetzt einige Informationen darüber, was Apple an neuen KI-Features für das kommende iOS 18 plant – und das ist eine ganze Menge. Apple habe dafür mit Ajax ein eigenes großes Sprachmodell (LLM) entwickelt, das ähnlich wie etwa Googles Gemini Nano direkt am Smartphone läuft. Eine solche Lösung hat mehrere Vorteile: Sie ist oft flotter, weil der Netzwerktransfer in die Cloud entfällt, zudem ist ein lokaler Ansatz natürlich besser für die Privatsphäre, da keine Daten das Gerät verlassen müssen.

Eines der kommenden Features soll sich dabei "Intelligent Search" nennen. Damit sollen sich die Inhalte von Webseiten mithilfe einer generativen KI zusammenfassen lassen. Zudem soll auch Siri ein größeres Update erhalten, um mit KI-Features etwa in iMessage zur Seite zu stehen. So soll Siri in internen Vorversionen des Betriebssystems bereits Inhalte zusammenfassen, aber auch Antworten vorschlagen können.

Generell soll Ajax an einigen Stellen dabei helfen, passende Antworten zu formulieren. So sollen dann der Kontext einer Konversation oder auch anstehende Termine aus dem Kalender in die Vorschläge einbezogen werden. Auch wenn die KI nur lokal läuft, will Apple offenbar Warnungen anzeigen, wenn sie für Antworten auf private Daten zugreift.

Nichts neues

Klingt alles sehr interessant, ist jetzt aber auch nicht ganz neu: Ähnliche Features gibt es bei anderen Smartphones von Google und Samsung bereits, auch dort laufen sie bereits lokal – oder werden das bald. Bei all dem handelt es sich um relativ simple Funktionen, die sich bekanntermaßen direkt am Smartphone erledigen lassen. Mit wirklich neuen Ideen kann zumindest der aktuelle Bericht noch nicht aufwarten.

Bei AppleInsider betont man jedenfalls, dass Apple bewusst auf solch simple, aber – hoffentlich – nützliche Erweiterungen der eigenen Software setzt, anstatt einfach einen KI-Chatbot auf das Gerät zu packen. Gleichzeitig ist aber bekannt, dass Apple auch an komplexeren Aufgaben aus dem Bereich generative KI Interesse zeigt. Immerhin ist in den vergangenen Monaten durchgesickert, dass der iPhone-Hersteller derzeit sowohl die Nutzung der Dienste von Google als auch OpenAI in Betracht zu, um aufwändigere KI-Features sehr wohl in der Cloud abwickeln zu lassen. Dabei könnte es dann um aufwändigere Text- aber auch Bilderstellung gehen.

Schon in den vergangenen Wochen war von weiteren KI-Features für iOS 18 die Rede, wobei deren Existenz allerdings weniger gut abgesichert ist. Demnach könnte etwa ein generell umgemodeltes Siri auf Basis eines LLMs kommen, auch von einer erweiterten Spotlight-Suche ist die Rede. Zudem könnten entsprechende KI-Features in Apple Music, der Textverarbeitung Pages oder auch der Entwicklungsumgebung XCode landen. Von einem KI-basierten Wellness-Assistenten war ebenfalls bereits die Rede. Alles Dinge, die aber bisher wenig abgesichert sind, und verdächtig nach dem klingt, was die Konkurrenz bereits jetzt bietet.

Einschätzung

Auch wenn die bisher durchgesickerten Features nicht nach dem großen Durchbruch klingen, und die Konkurrenz wohl bereits an der nächsten Generation ihrer KI-Dienste arbeitet, sollte Apple auch in diesem Bereich nicht unterschätzt werden. Das Unternehmen hat über die Jahre viel Erfahrungen mit einfacherem Maschinenlernen direkt auf den eigenen Geräten gesammelt, entwickelt auch die passende Hardware für seine iPhones selbst. Und auch wenn man offenbar auf den Trend zu generativer KI nicht vorbereitet war, so hat doch das Unternehmen seit dem Vorjahr zahlreiche Startups aus diesem Bereich eingekauft, um an entsprechendes Know-How zu kommen. (Andreas Proschofsky, 5.5.2024)