Ein kleines, blondes Mädchen geht mit seiner Mutter an der Hand auf der Straße
Für Töchter ist die eigene Mutter oft das erste und liebste Vorbild.
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Am Muttertag werden Frauen in erster Linie für ihren Dienst an der Familie gefeiert und dafür, dass sie sich liebevoll um die Familie kümmern. Bis in die 70er-Jahre war es normal, dass Frauen für die Familie ihre Karriere und einen Teil der Wünsche aufgeben. Einiges hat sich geändert, trotzdem gehen nach wie vor in Österreich nur zwei von zehn Vätern in Karenz. Die Hälfte der Mütter mit Kindern im Kindergartenalter arbeitet in Teilzeit; Kinderbetreuung ist also auch heute vorwiegend ihre Sache.

Sicher, die meisten Mütter bezeichnen ihre Familie als das Beste und Schönste, das sie jemals hatten. Aber es fehlt damit häufig die Zeit für Freundschaften oder Hobbys, für Reisen oder Sport. Feiern wir also mit dem Muttertag die falsche, weil rückständige Mutterrolle der sich aufopfernden Frau?

Also drehen wir es an diesem Muttertag um – und fragen uns: Was hat meine Mutter ausschließlich für sich getan? Vier Frauen erinnern sich an die Momente und Ereignisse, wo sie ihre Mütter als extrem cool und vor allem auch abseits der Familie glücklich erlebt haben. Denn das ist es in Wahrheit, was sich Kinder wünschen: eine glückliche Mutter, die vor allem auch Mädchen und Frauen dazu inspiriert, ihre eigenen Visionen und Leidenschaften zu leben.

"Meine Mutter war ein Fetzenweib"

Susita Fink über ihre Mutter Christine Fink:

"Meine Mama hat in den Sechzigern in Deutschland als Vertreterin gearbeitet und wurde schwanger von einem Künstlertypen, dem Vater meines Bruders. Der war nicht begeistert, vor allem wollte er nicht nach Wien. Aber meine Mutter wollte das Kind unbedingt behalten. Also kam sie mit 24 Jahren allein nach Österreich zurück. Sie war zuversichtlich, es auch als Alleinerzieherin zu schaffen. Doch so einfach war das zur damaligen Zeit gar nicht. Der Fürsorge in Österreich waren alleinstehende Frauen mit Kind ein Dorn im Auge. Man muss sich nochmals vor Augen halten: Das war eine Zeit, da mussten die Frauen noch ihre Männer fragen, ob sie arbeiten gehen dürfen.

Meine Mutter hat mir erzählt, dass sie sogar bei der Geburt im Krankenhaus von den Hebammen unwürdig und abschätzig behandelt wurde. Als sie über die Schmerzen klagte, sagten diese: "Was heißt, das tut weh? Das Machen des Kindes hat Ihnen ja auch Spaß gemacht!" Es muss wirklich schrecklich gewesen sein.

Meine Mutter war aber eine, die sich nie unterkriegen ließ. Die trotzdem laut und mutig ihre Meinung sagte und immer einen anderen Weg gegangen ist. Schon Anfang der Sechziger war sie Programmiererin bei Siemens. Das finde ich sehr bezeichnend dafür, wie sie tickt.

Als mein Bruder drei Jahre alt war, lernte sie meinen Vater kennen, heiratete und wurde wieder schwanger – mit mir. Meine Eltern kamen beide aus sehr politischen Familie. Mein Urgroßvater mütterlicherseits war schon Armenrat im Gemeindebau, der andere Opa war Kommunist. Wir sind als vierköpfige Familie in einem Wiener Gemeindebau aufgewachsen. Es war eine sehr kämpferische Zeit für den Frieden, gegen Atomkraft, für die Gleichberechtigung. Ich erinnere mich an die großen Feste zum Frauentag im Künstlerhaus und an die Demos für Ganztagsschulen und kleinere Klassen. Meine Mutter war sehr engagiert. Sie hat ehrenamtlich im Büro von Johanna Dohnal gearbeitet, Seminare gehalten und den ersten Erdberger Mütterclub gegründet. Sie war eine Feministin, ein "Fetzenweib", wie die alte SPÖ-Herrenriege so nett bemerkt hat, weil sie wallende indische Kleider trug.

Christine Fink (Mitte) 1978 beim Flyern für Frauenministerin Johanna Dohnal zur Förderung von Mädchen in Tech-Berufen.
Christine Fink (Mitte) 1978 beim Flyern für Frauenministerin Johanna Dohnal zur Förderung von Mädchen in Tech-Berufen.
privat

Das Motto bei uns zu Hause war "Mädchen dürfen pfeifen, Buben dürfen weinen". Als Mädchen bin ich damit oft angeeckt. In der Volksschule etwa. Da hieß ich "Susita Anders" und "Fräulein Extrawurst", weil ich früh gelernt habe, laut meine Meinung zu sagen. Ich habe mir nie etwas gefallen lassen. Deswegen war ich in den Augen vieler schlimmer als zehn Buben zusammen.

Dieser absolute Glaube an die Gleichberechtigung meiner Mutter hat mich total geprägt. Nicht nur als Mädchen und später als Frau, sondern auch in meiner Rolle als Mutter. All diese politischen Erfahrungen aus meiner Kindheit kann ich als Theatermacherin aufarbeiten. Ich schreibe heute Stücke auf Grundlage von historischen Geschehnissen. Stücke über die Frauenrechtsbewegungen etwa. Und da spielt meine Mutter als Vorbild eine große Rolle.

Wenn ich ihr heute etwas über feministische Philosophie oder über Gendergerechtigkeit erzähle, dann merke ich, es wird ihr langsam zu bunt. Meine Mama ist jetzt 81 Jahre alt, und auch sie wird jetzt ruhiger."

"Sie war alleinerziehend und Richterin"

Verena Proksch über ihre Mutter Verena Fosen-Wimmer:

"Meine Mutti, die Richterin. So bin ich aufgewachsen. Das war völlig normal für mich, obwohl es die Siebziger waren und es alles andere als normal war, dass eine Frau in diesem Beruf arbeitet. Als Kind habe ich meine Mutter angehimmelt. Sie war immer schön angezogen, so lebhaft, lustig und bunt. Vor allem im Vergleich zu den anderen Müttern in dieser Zeit. Darauf war ich besonders stolz. Sie hat mit 22 ihr Jusstudium abgeschlossen und dann, als sie schwanger mit mir war, den Doktortitel gemacht. Mein Vater verließ uns, als ich vier war. Ab da war sie alleinerziehend. Aus heutiger Sicht ist mir klar, wie schwierig für sie der Spagat gewesen sein musste, den sie als Mutter und Karrierefrau hinlegte. Damals gab es keine Teilzeitjobs, keinen Elternschutz. Wenn meine Mutter um 17 Uhr das Gericht verließ, war das für den Job viel zu früh und für mich viel zu spät. Und während die Kollegen nach der Arbeit ins Wirtshaus gingen, um einen zu trinken, war sie daheim, um sich um ihr Kind zu kümmern.

Meine Mutter hat immer viel gearbeitet. Ich habe deshalb reichlich Zeit bei meinen Großeltern in Linz verbracht. Aber die Samstage, die gehörten nur meiner Mutter und mir. Wir haben meist einfach stundenlang geredet. Ich erinnere mich an tiefe Gespräche, die sehr früh auf Augenhöhe waren. Das war für mich ein Genuss.

Und ich erinnere mich an die Abende in ihrem großen Bett. Um uns herum lagen überall rosa Akten, die sie häufig mit nach Hause brachte. Sie hat mir schon als Kind von ihren Fällen erzählt, wir haben sie oft stundenlang durchbesprochen und analysiert. Das war irgendwie unser Mutter-Kind-Ding, unsere Qualitytime. Sie hat das natürlich irrsinnig schlau gemacht. Sie hat einen Weg gefunden, wie sie mit mir Zeit verbringen und dennoch nebenher arbeiten konnte. Und mir hat das wirklich gut gefallen. Später bin ich auch Juristin geworden.

Verena Fosen-Wimmer promovierte mit 26 Jahren und wurde kurze Zeit später Richterin. In den Siebzigern war sie eine der wenigen Frauen in diesem Beruf.
Verena Fosen-Wimmer promovierte mit 26 Jahren und wurde kurze Zeit später Richterin. In den Siebzigern war sie eine der wenigen Frauen in diesem Beruf.
privat

Ich habe nie daran gezweifelt, dass ich als Frau irgendwas nicht schaffen könnte. Meine Mutter war immer ein Vorbild in ihrer Frauenrolle, jetzt ist sie ein Vorbild dafür, wie man würdevoll alt wird. Sie ist über 80 Jahre alt, lebt allein, hat aber einen riesigen Freundeskreis, macht tausend Sachen und ist dabei völlig unabhängig und vor allem glücklich."

"Mama ging für ein Jahr nach Guatemala"

Nana Siebert über ihre Mutter Iris Urthaler:

"Meine Mama stammt aus einem kleinen Ort in Vorarlberg. Es waren sehr einfache Verhältnisse, ein konservatives Umfeld. Sie wollte ausbrechen und am liebsten Schauspielerin werden. Bei einem Jazzkonzert hat sie sich in den feschen Bandschlagzeuger verliebt – und ist kurz darauf zu ihm nach Wien gezogen. Es dauerte nicht lange, und sie war schwanger mit Zwillingen, meiner Schwester und mir. Da war sie 24 Jahre alt. Mein Vater war Musiker und bildender Künstler – für ein stabiles Familieneinkommen konnte er damit nicht wirklich sorgen.

Für die Familie hat meine Mama ihren Traum von der Schauspielerei aufgegeben und stattdessen immer Jobs gemacht, die Geld einbrachten. Das hat sie für uns Kinder und auch für meinen Vater gemacht. Denn sie wollte, dass er weiterhin malen und sich als Maler selbstverwirklichen konnte.

Als wir, meine Schwester und ich, erwachsen waren, wollte sich meine Mama einen Wunsch erfüllen. Sie wollte für ein Jahr nach Guatemala gehen, um dort Entwicklungshilfe zu leisten. Das hat sie auch konsequent durchgezogen. Sie hat ein Jahr in einem kleinen Steinhaus ohne fließend Wasser, ohne Strom, mitten im Nirgendwo gelebt und sich um verwahrloste oder verwaiste Kinder gekümmert. Das war eine heftige Erfahrung, die ihr emotional einiges abverlangt hat. Zwischenzeitlich wurde sie auch sehr krank, weil sie einen Virus aufgeschnappt hat. Sie ist aber trotzdem geblieben.

Iris Urthaler in ihren Zwanzigern. Als junge Frau hatte sie einen Traum: Schauspielerin werden.
Iris Urthaler in ihren Zwanzigern. Als junge Frau hatte sie einen Traum: Schauspielerin werden.
privat

Trotz der Widrigkeiten hat dieses Jahr in Guatemala meine Mama extrem glücklich gemacht, sie hat, neben meinem Vater und uns Kindern, den vielbeschworenen "Purpose" gefunden. Ich war wahnsinnig stolz auf sie. Wegen ihres Muts und Einsatzes und auch weil sie diese Entscheidung nur für sich getroffen hat. Es war auch schön, dass mein Vater sie dabei so unterstützt hat wie sie ihn früher. Nach diesem Jahr war es für sie nicht leicht, wieder in ihren Job bei einer Bank zurückzukehren. Sie hat sich aber weiter ihre kleinen Abenteuer gesucht, zum Beispiel eine Tour mit anderen Frauen durch das Kailash-Gebirge oder eine Wüstenwanderung.

Als sie dann in Pension gegangen ist, hat sie sich als Komparsin am Theater beworben, das war dann – in kleinem Format – ein wenig die Erfüllung ihres Jugendtraums. Meine Mama war eine ziemlich großartige Frau. Vor einigen Jahren ist sie leider an Krebs verstorben."

"Meine Mutter ist allein in die Berge gezogen"

Michaela Schindler über ihre Mutter Gerti Schindler:

"Wenn der große Rucksack im Flur stand, dann wussten meine Schwester und ich: Es geht wieder los. Mama zieht wieder in die Berge. Ohne uns Kinder, ohne unseren Vater. Nur sie und ihre Freunde. Für die damalige Zeit war das total unüblich. Die Kinder einfach beim Mann zu Hause lassen und das über mehrere Tage oder Wochen, das gehörte sich nicht. Sie und mein Vater lebten in den damals typischen Geschlechterrollen in Wels, Oberösterreich: sie als Hausfrau und Mutter, er als finanzieller Versorger. Damit sie keine schlechte Nachrede hatte, kochte sie für eine ganze Woche vor. Und dann ging sie.

Gerti Schindler beim Bergsteigen in ihren Vierzigern. Die heute 84-jährige Oberösterreicherin fuhr bis zu ihrem 80. Lebensjahr Ski. Die Berge sind noch immer ihre große Leidenschaft.
Gerti Schindler beim Bergsteigen in ihren Vierzigern. Die heute 84-jährige Oberösterreicherin fuhr bis zu ihrem 80. Lebensjahr Ski. Die Berge sind noch immer ihre große Leidenschaft.
privat

Im Sommer stieg sie über Klettersteige auf die höchsten Berge in Österreich oder in der Schweiz. Im Winter ging sie Skitouren in Tirol oder Italien. Sicher, mein Vater hat damit nicht wirklich eine Freude gehabt, aber er wusste, wie glücklich es meine Mama machte. Ich erinnere mich an ihr fröhliches Gesicht, wenn sie mit Rucksack und Skiern zum Abschied in der Tür stand. Und an ihr Strahlen, wenn sie wieder nach Hause kam. Wir haben uns alle ganz aufgeregt am Küchentisch versammelt, um zu hören, was sie erlebt hat. Ihre Geschichten waren oft wie ein Krimi. Von siebenstündigen Touren hochalpin, von plötzlichen Schneestürmen, aber auch von atemberaubender Natur. Die hat da echte Abenteuer erlebt.

Meine Mutter so voller Glück zu sehen, sie so entspannt und ausgeglichen zu erleben, wenn sie nach Hause kam, das hat sich auf uns alle übertragen. Eine glückliche Mama ist, wie ich finde, das beste Vorbild, das man haben kann. Ich habe durch sie gelernt, dass man Freiheit nicht geschenkt bekommt. Die muss man sich als Frau und Mutter immer und immer wieder erkämpfen. Im Kleinen und im Großen. Und man tut damit nicht nur sich selbst, sondern der ganzen Familie einen Gefallen." (Protokolle: Nadja Kupsa, 12.5.2024)