Das doppelbödige Sufiritual
Das doppelbödige Sufi-Ritual "Hmadcha" des Marokkaners Taoufiq Izeddiou.
Victor Malyshev

Der Teufel ist ein Spaßvogel, aber wie jeder Komiker meint er's eigentlich ernst. Sein Auftritt in dem Tanzstück Hmadcha des marokkanischen Choreografen Taoufiq Izeddiou kann als Hilfestellung bei der Sinnsuche verstanden werden. So jedenfalls war's gerade beim Osterfestival Tirol gemeint, das diese Trance-Party für neun Männer und ein Publikum am Mittwoch im Innsbrucker Congress erstmals in Österreich auf die Bühne brachte.

Da kommt der Leibhaftige spät und überraschend im Kleid eines Gedichts und dessen Rezitators an. Heiter stellt dieser ihn als neuen Prinzen vor, "der mit der Dunkelheit tanzt". Er habe, heißt es, eine Leidenschaft für Pizza und das Fleisch "leichtgläubiger Lämmer". Und schon fragt sich der Zuschauer, warum dem Bocksfüßigen so wenig Bühne als Metapher in unserer polarisierten Gegenwart gegeben wird.

Der Titel Hmadcha bezieht sich auf die gleichnamige Sufi-Bruderschaft, die im Marokko des 17. Jahrhunderts entstanden ist. Am Beginn des Stücks lässt Izeddiou einen einzelnen Tänzer sich zum Klang von Meeresrauschen in Wellenbewegungen von Beinen und Oberkörper eingrooven. Er bleibt nicht allein. Einer nach dem anderen treten ihm seine Kumpels mit nackten Oberkörpern und in schwarzen Hosen zur Seite, und gemeinsam bringen sie sich zu immer lebendiger werdender Musik in Stimmung.

Erst geht es darum, sich aufeinander einzuschwingen. Immer tiefer tanzt die Gruppe in einen tranceartigen Zustand, wie eine Bruderschaft, die nach etwas Höherem strebt. Da ist man noch zu acht und bringt in Tanz und Gestik volle Hingabe zum Ausdruck. Dann aber wird das uniforme schwarze Beinkleid abgelegt und mit bunten Unterhosen individuell Farbe bekannt. Als sich der Rezitator nun als neunte Figur im Bund mit dem Teufel einbringt, wandelt sich die inbrünstig gewordene Stimmung.

Die Rückkehr der Feste

Mit dem Gottseibeiuns kehrt eine gewisse Gelöstheit ein, der Rezitator schwingt sich zum Entertainer auf, am Ende herrscht richtig Partystimmung. Hmadcha ist 2020 und 2021 während der Pandemie entstanden, als den Partys eine globale Zwangspause verordnet wurde. Will Taoufiq Izeddiou hier die Rückkehr der Feste nach der Pandemie feiern?

Im Nachhall des Gedichts über die Umtriebe des Bösen wirken die Männer wie geläutert. Doch der gewitzte Beelzebub scheint sie auch an der Nase herumzuführen und mit ihnen einen Totentanz aufzuführen. Jedenfalls gelingt dem Choreografen ein mitreißend doppelbödiges Tanzstück, das übrigens eine Trilogie mit dem Titel The World in Trance einleitet und neugierig auf deren weitere Teile macht. Ende Juni werden in Montpellier alle drei Werke erstmals gemeinsam gezeigt.

Das war's noch nicht mit dem Tanz beim Osterfestival Tirol. Schon am Karfreitag kommt die junge Choreografin Zoë Demoustier mit Wim Vandekeybus' berühmter Kompanie Ultima Vez. Sie zeigt unter dem Titel What Remains sensible Begegnungen unterschiedlicher Generationen vom Kind bis zum Greis. Und zum Abschluss am Ostersonntag bringt der renommierte Urban-Dance-Choreograf Kader Attou den Hip-Hop nach Innsbruck. Sein Prélude verspricht Einfallsreichtum mit temperamentvoller Virtuosität im Zusammenführen von Streetdance und zeitgenössischem Bühnentanz. (Helmut Ploebst, 28.3.2024)