Selbst Martin Thür wird bescheiden im Angesicht des Spaltpilzes, der Innsbrucks Gemeindepolitik seit Jahren in immer kleinere Teilchen zerlegt: In der ZiB 2 will Thür den bisherigen Bürgermeister nicht einmal mehr fragen, ob eine nächste Stadtregierung die volle Amtszeit von sechs Jahren hält.

Aber kann Georg Willi wenigstens versprechen, dass sein schon gespaltener grüner Gemeinderatsklub über diese Zeit hält? "Ja", sagt der so bestimmt, dass man ins Grübeln kommt, ob Willi vor der Stichwahl ohnehin alles versprechen würde oder ob so mutig ist, das tatsächlich zu glauben.

Geteilter Bildschirm: Innsbrucker Bürgermeisterstichwahlhkandidaten Georg Willi (Grüne) und Johannes Anzengruber (Ja) bei Martin Thür in der
Geteilter Bildschirm: die Innsbrucker Bürgermeisterstichwahlkandidaten Georg Willi (Grüne) und Johannes Anzengruber (Ja) bei Martin Thür in der "ZiB 2".
ORF ZiB 2 Screenshot

Willi steht mit seinem Überraschungsgegner in der Stichwahl, dem von der ÖVP (aber nicht ganz vom Wirtschaftsbund) abgespaltenen Johannes Anzengruber (Liste Ja), im Studio. Es bietet ein schlüssiges Bild zu den zwei im Reißverschlusssystem parallel geführten Einzelinterviews, dass die beiden auf einem geteilten Bildschirm ins ZiB 2-Studio eingeblendet werden. Paartherapie, aber wie in der fernsehhistorischen Kuppelshow Herzblatt getrennt voneinander befragt.

Das sichtlich und hörbar Trennende spießt sich in der ZiB 2 wie im realen Leben mit Willis erklärtem Willen, eine nächste Koalition mit "sehr viel Beziehungsarbeit" anzugehen. Wie will er die Koalition oder zumindest den grünen Klub in voller Stärke über die Runden bringen? "Ich möchte ganz am Beginn sehr viel Beziehungsarbeit in diese koalitionäre neue Beziehung stecken. So wie man zu Hause Beziehungen pflegen muss, an ihr arbeiten, müssen das auch Koalitionäre machen."

Seine bisherige Amtsführung belasteten selektiv gute Beziehungen innerhalb der Stadtverwaltung, die zu lukrativen Sonderverträgen für einzelne Beamte, Rücktritt und mangels strafrechtlicher Relevanz eingestellten Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft führten.

Allzu frühe oder forsche Anbahnungsversuche wiederum können "Beziehungsarbeit" ebenso trüben: Willi wollte schon vor der Stichwahl mit der SPÖ und Anzengrubers Liste Ja für seine "Caprese-Koalition" "sondieren". Der erhoffte Partner Anzengruber freilich (kapri)ziert sich und hat vielleicht noch einen anderen, den er nicht ausschließen will, und sich überhaupt alle Optionen offenhalten. Willis ungestümes "Sondieren" vor der Stichwahl findet Anzengruber also "äußerst undemokratisch".

Es wird in Innsbruck ganz viel "Beziehungsarbeit" brauchen. Aber das konnte Donnerstagabend in der ZiB 2 niemanden mehr überraschen. (Harald Fidler, 26.4.2024)