Claudia Bosses „haunted landscape/s“ wandert nach der Seestadt Wien ab 15. 6. an den Wörthersee.
Claudia Bosses „haunted landscape/s“ wandert nach der Seestadt Wien ab 15. 6. an den Wörthersee.
Markus Gradwohl

Ein Stück künftiges Bauland am Rand des entlegenen Wiener Stadtteils Seestadt ist zur Bühne geworden. Auf dieser Gstettn vor spektakulärem Hintergrund lässt die Theatermacherin Claudia Bosse, bekannt unter anderem für formatsprengende Performances unter freiem Himmel, ihre neue Arbeit stattfinden. Bei haunted landscape/s führt sie aktuell in den Sonnenuntergang hinter dieser heimgesuchten Landschaft.

Am Horizont zeugen Baukran-Gerippe von einer fanatischen Bodenversiegelungs-Ideologie. Auf einem Container vor der Hochtrasse der U2 steht, in kaltem Schwarz gesprayt, "It only takes a peaceful sky" – ein Statement der ukrainischen Künstlerin Maria Budnikova vom Vorjahr. Dahinter schleichen die Züge, darüber spielen ein paar Vögel mit den Luftströmungen.

Im Kostüm der griechischen Fruchtbarkeitsgöttin Demeter spricht Claudia Bosse von der Landschaftszerstörung bei Salzgitter, der niedersächsischen Stadt ihrer Jugend. Sie erzählt von Versuchen, dort in einstigen Bergbauschächten Atommüll endzulagern. Aber auch vom Superkontinent Pangäa, der vor 325 bis 150 Millionen Jahren alle Landmassen der Erde vereinte.

Stinkende Nebelkerze

Ganz so wie die Tänzerinnen Anna Biczok, Lena Schattenberg – sie hat zwei herausfordernde Monologe zu bewältigen – und Carla Rihl. Das Trio verbindet symbolisch die Kräfte der Natur mit den Echos einer Kulturgeschichte. Es ist jene des menschlichen Scheiterns am Wahn, die Dynamiken des Planeten beherrschen zu können. Als Performer stellt der Künstler Irwan Ahmett ein unvergessliches Bild her, wenn er statt einer Fackel der Aufklärung in der Dämmerung eine Nebelkerze hochhält, die stinkenden, giftig gelben Rauch verbreitet.

Als unverzichtbare Kontextualisierung erweitern zwei Bewegungschöre das Theatercombinat-Ensemble: die Mitglieder der Initiative Jugend am Werk und jene der Kunstgruppe PPS – Public Performance School. Sie könnten als jene vielen verstanden werden, die dem "Endarkenment" (Verdunkelung) der Gegenwart ihre Rituale entgegensetzen.

Claudia Bosses Werke zielen stets in eine bestimmte Richtung, bleiben darin aber vieldeutig. Szenen und Bilder, Worte und Tänze bleiben weiträumig offen für die unterschiedlichen Lesarten im Publikum. Das ist auch bei haunted landscape/s der Fall. Hier wird, während sich der Schauplatz mit der Erdrotation von der Sonne wegdreht, nicht gepredigt, sondern die Stärke der kulturellen Mythen grandios ausgespielt.

Der Abschluss findet in einem Studioraum statt. Mit performativen Akten inmitten von Projektionen einer Neubildung (als Anak, das Kind) des Vulkans Krakatau, der nach seinem Ausbruch 1883 das Weltklima für einige Jahre veränderte. (Helmut Ploebst, 9.5.2024)