Bild nicht mehr verfügbar.

Wo ein Wille, da ein Weg, heißt es - doch Nikotinsüchtige haben es nicht leicht mit dem Rauchen aufzuhören

Foto: APA/Herbert Oczeret/Collage: derStandard.at

Ein neuer Tag im neuen Jahr, ein neuer Tag der Verwirklichung von guten Vorsätzen - worauf zu Silvester noch bei Raclette und Prosecco angestoßen wurde, verlangt nun nach Taten. Laut Umfragen nehmen ein Viertel aller Österreicher Neujahr zum Anlass im nächsten Jahr gesünder, fitter, erfolgreicher zu werden. Unter den Top-Vorsätzen rangieren die Vorsätze Gewichtsverlust und Abaschen für immer.

Mit Ende des Jahres wollten laut einer Umfrage von Marketagent und dem Fonds Gesundes Österreich 16 Prozent der geschätzten 2,3 Millionen heimischen Raucher an ihrer letzten Zigarette ziehen. An und für sich ein löbliches Unterfangen. Nur, aus dem fixen Vorsatz wird meist ein kläglicher Versuch und der Wille allein ist nicht immer der Weg zum Ziel eine Sucht zu beenden oder mehr für die Gesundheit zu tun. Aus Untersuchungen geht hervor, dass sich insgesamt nur bis zu 15 Prozent an ihre Neujahrsvorsätze halten. Interessant: diese Tatsache korreliert ganz und gar nicht mit der abgefragten Selbsteinschätzung - ganze 80 Prozent der Befragten sind "ganz" oder "eher sicher" ihren Vorsätzen auch treu zu bleiben.

Ein erster Schritt

Warum Raucher Neujahrsvorsätze brauchen, weiß Rudolf Schoberberger vom Institut für Sozialmedizin: "Um das Vorhaben tatsächlich in die Tat umzusetzen, wartet der Raucher oft auf eine ganz bestimmte Gelegenheit - ein markanter Lebensabschnitt beginnt, Zigarettenpreise werden wieder einmal teurer oder es steht Neujahr bevor". Menschen brauchen scheinbar einen Neuanfang um ein Vorhaben in Angriff zu nehmen. Für Schoberberger hat der Neujahrsvorsatz trotz geringer Erfolgsrate sehr wohl etwas - wenn auch bescheidenes - Gutes: "Es ist schon gut, sich ein bestimmtes Datum für einen Rauchstopp vorzunehmen, immerhin ist das mehr als zu sagen 'irgendwann werde ich schon aufhören'."

Allerdings gehöre zu jeder erfolgreichen Rauchentwöhnung auch eine Art Vorbereitungsphase, in der die Beschäftigung mit dem Rauch-, Ernährungs- und Bewegungsverhalten wichtig sei. In der späteren Interventionsphase helfen dann je nach Schweregrad der Sucht Selbstkontrollmaßnahmen, Alternativverhaltensweisen, medikamentöse Unterstützung oder Belohnung.

Fatales "Probieren"

Doch warum werden so viele Aufhörwillige noch im Jänner scheitern? "Aufgrund der schlechten Vorbereitung auf den Rauchstopp, sind manche einfach zu stark „überrascht" und kommen mit den Entzugserscheinungen nicht zurecht", weiß Schoberberger aus Erfahrung. Aber oft sei auch der "fatale Versuch" zu probieren ob eine Zigarette wirklicht nicht mehr schmeckt, Schuld am Scheitern. Plötzlich kommt das Verlangen wieder auf - und der Raucher kann der nächsten (und nächsten ...) Zigarette nicht mehr widerstehen - ein typischer Rückfall. Noch ein anderes Problem spricht der Mediziner an: "Manchmal wird ein Rückfall auch durch unangenehme Begleiterscheinungen ausgelöst - etwa eine Gewichtszunahme. Diese wäre aber wahrscheinlich bei entsprechender Vorbereitung beherrschbar."

Emotionales Gedächtnis wägt ab

Auch die Schweizer Diplompsychologin Maja Storch, Inhaberin des Instituts für Selbstmanagement und Motivation Zürich ISMZ, meint, dass "ein Vorsatz gute Gefühle auslösen muss, sonst wird die Absicht nicht nachhaltig in Handlung umgesetzt". Ein Mensch evaluiere also den Vorsatz mit seinem emotionalen Erfahrungsgedächtnis, das entwicklungsgeschichtlich sehr alt ist. Daher reicht auch das Wissen nicht aus, dass Rauchen, zu viel Essen und zu wenig Bewegung nicht gut für den Körper sind. Zur nachhaltigen Umsetzung von Zielen müssten Verstand und emotionales Erfahrungsgedächtnis aufeinander abgestimmt werden. Und da hat es der Verstand eben schwer, wenn mit dem Rauchen angenehme Situationen wie Geselligkeit oder Entspannung assoziiert werden.

Tipps für Aufhörwillige

Damit der Neujahrsvorsatz keine Niederlage wird, rät Schoberberger Gewohnheiten zu kontrollieren, Alternativverhalten wie Bewegung zum Stressabbau einzusetzen und Belohnungen für erwünschte Ziele festzulegen. "Nie ein neuerliches Rauchen 'provozieren', sollte es aber ungewollt 'passieren', dann den Vorfall möglichst ignorieren und daran denken, dass die Entwöhnung ein Prozess ist und Nichtrauchen erst gelernt werden muss", so der Mediziner. Bei vorliegender Nikotinabhängigkeit könne auch eine medikamentöse Nikotinersatztherapie vonnöten sein.

Methode der Selbstkontrolle

Die am häufigsten zur Anwendung kommende Methode zur Rauchentwöhnung ist die Selbstkontrolle, der Gewohnheitsfaktor könne dadurch am besten unterbunden werden: Bestimmte Situationen werden vom Rauchen entkoppelt. "So werden zum Beispiel durch Führen eines Raucherprotokolls Rauchersituationen analysiert und schließlich kommt es durch Kontrolle der Reizbedingungen zu einem Ausblenden der Rauchersituationen. Der Kompensationsfaktor muss durch den Aufbau neuer Verhaltensweisen sowie durch das Festsetzen von Belohnungen für erreichte Ziele in der Entwöhnungsphase bewältigt werden", erklärt der Experte.

Ruhig gestellte Rezeptoren

Jedenfalls kann man davon ausgehen, dass eine Raucherentwöhnung etwa drei Monate dauern wird - mit individuell großen Unterschieden. "Diese drei Monate brauchen die Nikotinrezeptoren um sich zu deaktivieren - ruhig zu stellen -, denn verschwinden tun sie ja leider nicht mehr", erklärt Schoberberger den Grund für diese Zeitspanne.

Fazit für die aufhörwilligen Raucher: Erst kommt das Wollen, dann das Planen und dann erst das Umsetzen - und das geht nicht immer von heute auf morgen. Etwas, das ganz sicher nicht zum Ziel führen wird, ist ein schlechtes Gewissen, denn das ist die falsche Motivation. Und der "Innere Schweinehund"? "Den gibt es nicht", sagt Storch mit einem Augenzwingern, "kein lebender Organismus ist von der Biologie her so angelegt, dass er eine sabotierende Instanz innewohnen hat." Er stamme aus der mittelalterlichen Besessenheitsmetaphorik, erfunden von einem Juristen. Die Sabotage erledigt das emotionale Erfahrungsgedächtnis wie von selbst. (derStandard.at, 4.1.2010)