Berlin - "Lichtverschmutzung" als Nemesis der Astronomie, die die alten städtischen Observatorien nahezu obsolet gemacht hat, steht seit Jahren in der Diskussion; verschiedenste Initiativen haben sich zum Ziel gesetzt, das Übermaß an künstlicher Beleuchtung vor allem in unseren Städten zu reduzieren. Doch ist die Astronomie nicht die einzige Leidtragende: Wissenschafter der Leibniz-Gemeinschaft fordern daher eine umfassendere Erforschung der Auswirkungen von künstlichem Licht auf Mensch und Umwelt. "Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass die zunehmende Beleuchtung nicht nur positive Effekte wie eine erhöhte Sicherheit oder bessere Produktionsbedingungen für die Wirtschaft bringt, sondern auch negative Auswirkungen etwa auf die Ökologie hat", sagt der Sprecher des Leibniz-Forschungsverbundes "Verlust der Nacht" und Direktor des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Klement Tockner.

Wissenschafter verschiedenster Disziplinen aus sieben Instituten der Leibniz-Gemeinschaft sowie der Technischen Universität und der Freien Universität Berlin haben sich zum Forschungsverbund "Verlust der Nacht" zusammengeschlossen. Der Verbund ist der erste Disziplinen übergreifende Versuch, die ökologischen, gesundheitlichen sowie kulturellen und sozioökonomischen Auswirkungen, aber auch die Ursachen für die zunehmende Beleuchtung der Nacht zu untersuchen, die nach Angaben der Leibniz-Gemeinschaft jährlich um fünf bis sechs Prozent ansteigt. Eine erste Bestandsaufnahme hat der Verbund in der Schriftenreihe "Zwischenruf" vorgelegt.

Forschungsgebiete

Im Bereich der Medizin und Lebenswissenschaften geht es etwa um die Bedeutung des Lichts als biologischer "Taktgeber" für Lebewesen- Studien zufolge wird bei Schichtarbeit unter Kunstlicht der Hormonhaushalt gestört, was gesundheitliche Beeinträchtigungen bis hin zu einem höheren Brustkrebsrisiko nach sich ziehen kann. In der Ökologie sind die Auswirkungen des millionenfachen Todes von Insekten (etwa an Straßenlaternen) auf Ökosysteme nur gering erforscht, wie zum Beispiel durch den Verlust von Insekten als Nahrung für andere Organismen oder auch als Bestäuber von Pflanzen. Bei Lichteinwirkungen auf Gewässer oder bei Vogelwanderungen lassen sich ebenfalls Auswirkungen durch künstliches Licht beobachten, ohne dass die genauen Umstände bisher näher untersucht sind.

Im technischen Bereich sehen die Wissenschaftler bei einer Reihe möglicher Maßnahmen Handlungsbedarf, wie etwa bei der Entwicklung moderner Beleuchtungssysteme, die bezogen auf Lichtspektrum sowie auf Lichtdosierung und -fokussierung optimiert sein sollten, und gleichzeitig etwa durch Dimmbarkeit und eine höhere Energieeffizienz positive Effekte für Natur- und Klimaschutz bringen. Aus der Bestandsaufnahme geht hervor, dass mögliche zukünftige Richtlinien - z.B. Rahmenbedingungen und Regelwerke für Raum- und Bauplanungen - gemeinsam von Ökologen, Medizinern, Ingenieuren und Sozialwissenschaftlern entwickelt werden sollten. (red)