Seit 1998 gilt in Österreich die 0,5-Promille-Grenze: Kfz-Lenker, die bei einer Polizeikontrolle bis zu 0,5 Promille Alkohol im Blut aufweisen, bleiben unbestraft. Das große Aber setzt spätestens dann ein, wenn der alkoholisierte Lenker in diesem Zustand scheinbar schuldlos an einem Unfall beteiligt ist und trotzdem eine Teilschuld infrage kommt. Das geschieht zwar nicht automatisch durch den Nachweis von Alkohol im Blut. Aber: Aufgrund des (wenn auch gesetzlich erlaubten) Alkoholgehaltes im Blut kann das Gericht einen Lenker als fahruntüchtig einstufen. In der Folge kann es feststellen, dass die Fahruntüchtigkeit kausal (ursächlich zusammenhängend; Anm.) für den Unfall war.

In diesem Fall droht dem Lenker entweder das alleinige Verschulden oder eine Teilschuld. Nicht der Alkoholkonsum steht also im Vordergrund, sondern die dadurch verursachte Fahruntüchtigkeit. "Fahruntauglich kann man zum Beispiel auch aufgrund von Müdigkeit sein, das lässt sich aber im Gegenzug zu Alkohol nur sehr schwer nachweisen", erklärt Armin Kaltenegger, Leiter der Rechtsabteilung im Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV).

Fahruntüchtigkeit mit jedem Promille-Wert möglich

"Die Fahruntauglichkeit ist von der Promillegrenze unabhängig", so der Rechtsexperte. Neben der so genannten "absoluten" Fahruntüchtigkeit ab 0,8 Promille gibt es auch eine "relative", die alle Werte unter 0,8 Promille mit einbezieht. Als fahruntüchtig kann man theoretisch mit jedem auch noch so geringem Promille-Wert im Blut eingestuft werden. Ob das der Fall ist, entscheidet das Gericht im Ernstfall unter anderem aufgrund von Sachverständigen, Zeugen und medizinischen Gutachten. "Die Verwaltungsbehörde straft zwar erst ab 0,5 Promille, das Gericht ist aber frei in der Beurteilung was die Fahruntüchtigkeit angeht", erklärt es Kaltenegger mit anderen Worten.

Alkohol schwächt Glaubwürdigkeit

Grundsätzlich gilt: Sobald bei einem Unfall Alkohol im Spiel ist, wird die Sache meist noch komplizierter, als das bei Verkehrsunfällen ohnehin häufig der Fall ist. Denn selbst wer "nur" bis zur 0,5-Promille-Grenze getrunken hat und in einen Unfall verwickelt wird, bekommt vor Gericht Glaubwürdigkeitsprobleme. "Auch wer unschuldig in einen Unfall involviert ist, hat es schwer, seine Unschuld glaubwürdig darzustellen", weiß der Rechtsexperte. "Wenn Sie alkoholisiert in einen Unfall verwickelt sind und der Unfallgegner behauptet, sie seien bei Rot über die Ampel gefahren: Wem wird das Gericht eher glauben?" Es gebe immerhin wissenschaftliche Belege dafür, dass die ersten Symptome der Fahruntüchtigkeit würden bereits bei 0,2 bis 0,3 Promille einsetzen.

"Unfallgegner wird nicht lockerlassen"

Verkehrsunfälle können lange Rechtsstreite nach sich ziehen. "Es werden zwar mehr als 90 Prozent aller Verkehrsunfälle außergerichtlich gelöst", so Kaltenegger. "Wenn es aber zum Rechtsstreit kommt, wird meistens erbittert gekämpft." Alkohol macht die Sache nicht gerade einfacher. "Der Unfallgegner wird in diesem Fall nicht lockerlassen, es kann zu einer Verschuldensverschiebung kommen", weiß der Rechtsexperte. Bis zu einem Schuldspruch könnten Jahre vergehen.

Finanzielle Folgen

Auch einem Lenker, der zum Unfallzeitpunkt weniger als 0,5 Promille Alkoholgehalt im Blut hatte, aber Alleinschuld oder Teilschuld zugesprochen bekommt, kann so ein Unfall also teuer zu stehen kommen. Das Stichwort lautet Schadensabwicklung: "Dem Unfallgegner sind alle finanziellen Nachteile, die er aus der Schadenszufügung erlitten hat, zu ersetzen", erklärt Kaltenegger. Dazu gehören etwa Reparaturkosten, Schmerzensgeld, Verdienstentgang und Behandlungskosten. "Auch der Dienstgeber eines Unfallopfers, dem ja der Arbeitnehmer für einige Zeit nicht zur Verfügung steht, der aber das Entgelt fortzahlen muss, kann sich am Schuldigen regressieren", so der Rechtsexperte.

Ab 0,8 Promille steigt die Versicherung aus

Mit dem Promillewert steigt im Schuldfall auch die Zahl an möglichen finanziellen Verlusten: Ab 0,5 Promille kommt neben der möglichen Teilschuld oder sogar einem Alleinverschulden eine Verwaltungsstrafe wegen Alkohol am Steuer hinzu. Liegt der Wert zwischen 0,5 und 0,79 Promille stellt der Versicherer Nachforschungen an. Wenn diese ergeben, dass der eigentlich am Unfall schuldlose Lenker zum Unfallzeitpunkt "unwiderlegbar beeinträchtigt" war, kann das für den Autofahrer teuer werden – es kommt zum Regress der Haftpflichtversicherung. Das heißt: Die Versicherung bezahlt zwar den Schaden am Wagen des Unfallgegners, verlangt das Geld aber im Nachhinein zurück. Ab 0,8 Promille gilt der Lenker in jedem Fall als fahruntüchtig und wird von der Versicherung zur Kasse gebeten.

0,5-Promille-Grenze gilt nicht für Schadensabwicklung

Zusammenfassend kann man sagen: De facto besteht die 0,5-Promille-Grenze nicht, wenn es um die Schadensabwicklung eines Verkehrsunfalles geht. Bis zu diesem Grenzwert kommt es zwar zu keiner Verwaltungsstrafe, zivil- oder strafrechtliche Konsequenzen kann aber auch ein geringerer Promille-Wert nach sich ziehen. In der Folge muss der Lenker für den zugefügten Schaden bezahlen, etwa durch Schmerzensgeld. Richtig teuer wird es ab 0,8 Promille – dann verlangt auch noch die Versicherung ihr Geld zurück. (derStandard.at; 01.02.2010)