Amir Kassaei und Mariusz Jan Demner über die Zukunft der Werbeagenturen.

Foto: horizont.at/E. Kessler

Vergangene Woche diskutierten Amir Kassaei - Kreativchef von DDB Germany und kürzlich von "The Big Won" zum weltbesten Chief-Creative-Officer gewählt - und Mariusz Jan Demner auf Einladung von "Horizont" über die Zukunft von Werbeagenturen. Hier einige Wortmeldungen daraus, Fotos und ein Video der Veranstaltung finden Sie auf horizont.at.

"Unser Produkt hat keine Substanz mehr. Wir sollten wieder das werden, was wir in den 60er-Jahren waren. Nämlich Berater von Unternehmen, die auf kreative Art Probleme lösen", so Kassaei. "Wir machen immer mehr für immer weniger Geld, weil offensichtlich die Anerkennung nicht da ist auf Unternehmensseite". Und weiter: "Wir werden als Kommunikationsdienstleister dort landen, wo derzeit die Reinzeichner sind. Wir sitzen in Kellerbüros und führen das aus, was ThinkTanks in Unternehmen sich ausgedacht haben und befüllen Kanäle.", so seine Prognose. Kassaei: "Einer der Gründe, warum wir immer weniger Geld verdienen, hat auch mit unserer Stellung oder unserem Anspruch gegenüber den Unternehmen zu tun. Wir werden für Ideen bezahlt, so der Anspruch. Aber heute werden wir für Stunden bezahlt."

Demner widerspricht und glaubt "die Agenturzukunft ist rosig und wird nicht durch neue Technologien in Frage gestellt". Er lehnt es ab, nach Stunden bezahlt zu werden. "Wir verkaufen keine Stunden, sondern die Kraft von Ideen, Markenmagnetismus und dafür möchten wir gemessen werden."

Edmund Petri: "Wir werden sicher dafür bezahlt, dass wir Ideen haben und die Finanzchefs rechnen unsere Ideen nach Stunden ab, das ist das Problem. Wir führen Stundenlisten, die Idee bleibt auf der Strecke. Wir verstricken uns in der Umsetzungsidee und glauben, das ist Werbung."

"Werbeidee wird nicht reichen"

Amir Kassaei: "99 Prozent der Arbeit von DDB ist keine Lösung für ein Problem, das ist eine Werbeidee. In der Zukunft wird eine Werbeidee nicht reichen. Ich stelle den Anspruch, als kreativer Unternehmensberater gemeinsam mit dem Unternehmer Lösungen für Probleme zu finden."

Rudi Kobza: "In unserem Kerngeschäft haben wir es mit sehr austauschbaren Produkten zu tun. Das Manko der Unternehmen ist es, dass sie das auf die Agentur abgewälzen. Sie erwarten, dass wir hier ihren Job machen, nämlich zu differenzieren. Dann beginnt für mich das Problem. Das Geschäft ist viel komplexer geworden, die Kunden haben ihre Hausaufgaben in der Strategie nicht gemacht. Wir stehen austauschbaren Produkten gegenüber, und bekommen Leistungen, die passieren müssen, nicht bezahlt. Ich stelle mir täglich die Frage: Wie bekomme ich die Leistung, die ich zu erbringen habe, auf den Tisch, auf die Straße und wie bekommen wir das ordentlich bezahlt?"

Tomek Luczynski: "Ich habe den Eindruck, dass sich die gesamte Branche sich von Gesprächspartnern zu Verkäufern gewandelt hat und aus Angst heraus agiert. Immer Weniger gehen aufrecht in einen Raum zum Kunden, sie kriechen auf allen Vieren rein. Und diese Leute sind keine Gesprächspartner. Wir rutschen in das Lieferantentum."

"Aus einem kranken Arsch kommt kein gesunder Furz"

Amir Kassaei: "Aus einem kranken Arsch kommt kein gesunder Furz. Wir haben gar nicht diese objektive Stellung, einem Unternehmen zu sagen, ganz ehrlich, dass ihr Produkt schlecht ist. Diesen Anspruch hatten wir mal, den haben wir leider nicht mehr. Wir müssen wieder diesen Anspruch haben und die Reputation zurückverdienen, dass wir objektiv beraten können. Diese Beratungsleistung bezahlt zu bekommen ist viel mehr wert als durch eine gute Kampagne ein schlechtes Produkt in den Markt zu bringen."

Mariusz Jan Demner: "Fühle mich langsam unbehaglich. Das Gejammer geht mir schon so auf den Arsch. Bin ich der Branche so fremd? Ich habe diese Probleme größtenteils überhaupt nicht und habe sie nie gehabt. Ich verstehe nicht, woher dieses pessimistische Bild dieser Branche kommt."

Tibor Bárci: "Das Geschäftsmodell der Werbeagenturen basiert auf dem Modell von Rosser Reeves, auf dem USP. Es tut mir weh, wenn ich Werber und auch junge Werber vom USP reden höre. Es basiert auf Wiederholung. Dieses Geschäftsmodell war sehr clever und wir haben gut davon gelebt. Durch die Wiederholung verdient eine Agentur Geld. Apple hat mit 1984 den Wandel des Geschäftsmodells einer Agentur eingeläutet. Wir machen uns keine Gedanken darüber, dass ein Spot, der einmal gezeigt wird, wirkt. Noch haben die Werbeagentur eine sehr starke Lobby, diese Lobby besteht aus den Marktforschern, die beweisen, dass die ewige Wiederholung wirkt. Sie messen die Awareness bzw. Recall. Dieses Konzept ist 80 Jahre alt das heute noch für das modernste und zeitgemäße Modell. Ich glaube, dass es an der Zeit wäre, dass Agenturen draufkommen, warum funktioniert Werbung und wie funktionieren Agenturen wirklich.

"Gedanken über Inhalte machen"

Eduard Böhler: "Ich habe das Gefühl als sei ich auf einer Veranstaltung einer Beamtengewerkschaft und wir reden darüber, ob wir die Pragmatisierung halten können oder doch Vertragsbedienstete werden. Das schmerzt mich sehr, wir stellen uns die wesentliche Frage nicht. Was mit der technologischen Revolution geschaffen wird ist absolute Transparenz. Unternehmen bekommen immer mehr Probleme, wenn sie abseits der Produktentwicklung und des Verkaufs etwas falsch machen. Unsere Aufgabe ist es, den Unternehmen klar zu machen, wie schaut es mit den Werten im Unternehmen aus? Ist es sinnvoll, dieses Produkt auf den Markt zu bringen? Wir haben viele Aufgaben und sollten uns nicht Gedanken darüber machen, ob es uns in fünf Jahren noch gibt. Wir sollten uns um Inhalte Gedanken machen."

Amir Kassaei: "Es wird in Zukunft zwei Arten von Agenturen geben: Exekutoren, die am Existenzminimum vor sich hin siechen und jene, die den Anspruch haben, wirklich relevante Partner zu sein. (red)