Washington/Wien - Steuerhinterziehung, Schwarzkonten, illegale Geldflüsse: Raymond Baker kennt sich bei den dunklen Kanälen der internationalen Geschäftswelt gut aus. In den 60er-Jahren kaufte er in Nigeria drei Unternehmen, 15 Jahre lebte er als Investor in dem afrikanischen Land.

Damals habe er erstmals erlebt, wie Korruption abläuft, erzählt Baker in seinem Washingtoner Büro. Er habe bestechliche Beamte ebenso kennengelernt wie Unternehmer, die riesige Gewinne ins Ausland schafften, ohne einen Cent Steuern zu bezahlen.

Während Nigeria in internationalen Korruptionsrankings bis heute weit abgeschlagen rangiert, wechselte Baker die Seiten: Er hat inzwischen mehrere Bücher über Steueroasen verfasst und in Washington eine Forschungseinrichtung, die Global Financial Integrity, gegründet. Er gilt als einer der profundesten Kenner illegaler Geldflüsse und Steueroasen.

Bakers Grundsatz:Weil inzwischen so viele Begriffe in der Debatte herumschwirren, sollte je-der klar definieren, worüber er spricht. So nennt Baker drei Quellen, aus denen sich illegale Finanzströme speisen: Beamtenkorruption, organisierte Kriminalität und Steuerhinterziehung. "Allein aus Entwicklungsländern fließt in diesen Kategorien pro Jahr eine Milliarde Dollar ab."

Den größten Brocken bilde die Steuerhinterziehung durch Unternehmen. Steueroasen seien jene Orte, in denen das Geld aus illegalen Transaktionen gehortet werde. Wichtigstes "Lockmittel" von Staaten wie Liechtenstein, Österreich und der Schweiz sei das Bankgeheimnis, "es ist Zeit, es abzuschaffen".

Enttäuscht ist Baker von den bisherigen Fortschritten im Kampf gegen Steuerhinterziehung. Der wichtigste Fall, in dem es gelang, die Geheimhaltung zu durchbrechen, sei bisher die Vereinbarung zwischen der Schweiz und den USA über die Kundendaten der UBS-Bank an Washington gewesen. Das Schweizer Bundesverwaltungsgericht hat die Datenweitergabe aber vergangene Woche vorerst untersagt.

Baker kritisiert auch die OECD. Diese habe mit ihrer "grauen Liste" der Steueroasen zwar Druck aufgebaut, es den Ländern, darunter Österreich, zu leicht gemacht wieder von der Liste herunterzukommen. Gestrichen wurde ein Land, sobald es zwölf Abkommen zum Informationsaustausch unterzeichnet hatte. "Was sind zwölf Abkommen bei rund 200 Staaten" , sagt Baker. Zweites Problem: Die meisten Steueroasen schließen Abkommen mit kleinen Ländern oder mit anderen Steueroasen.

Richtungsweisend für die Zukunft im Kampf gegen Steueroasen sei die EU-Zinsrichtlinie. Diese regelt in der Union die Weitergabe von Bankinformationen, um die Besteuerung von Zinserträgen zu ermöglichen. Belgien, Luxemburg und Österreich erteilen noch keine Auskünfte, sondern ziehen nur eine Quellensteuer ab. (András Szigetvari, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 02.02.2010)