Bild nicht mehr verfügbar.

Autobahnen nahe Santiago wurden teilweise völlig zerstört.

Foto: AP/David Lillo

Bild nicht mehr verfügbar.

Chiles Präsidentin Michelle Bachelet erklärte den Katastrophenzustand.

Foto: AP

Bild nicht mehr verfügbar.

Zerstörtes Heim in Valparaiso nahe der Hauptstadt Santiago de Chile.

Foto: AP Photo

Bild nicht mehr verfügbar.

Bebenopfer in Mitten der Trümmer eines Hauses in Talca.

Foto: AP Photo/Sebastian Martinez

Santiago/Tokio/Hawai - Chile ist heute früh erneut von einem Nachbeben erschüttert worden. Es hatte die Stärke 6,2. Sein Epizentrum lag in etwa 35 Kilometern Tiefe gut hundert Kilometer nordöstlich der Stadt Talca. Durch das Erdbeben am Samstagmorgen und die darauf folgenden Flutwellen starben mindestens 711 Menschen.

Die Zahl der Vermissten nehme ständig zu, weshalb die Totenzahl weiter steigen werde, sagte die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet. Das Erdbeben sei "eines der fünf stärksten" in der Geschichte des Landes; etwa zwei Millionen Menschen seien betroffen.

Keine Meereswellen

Zumindest die befürchteten zerstörerischen Tsunamis sind bisher ausgeblieben. Nach den Erdstößen der Stärke 8,8 nach Richter am Samstag und einer Reihe heftiger Nachbeben im Meer vor dem lateinamerikanischen Staat Chile kamen in Japan, Russland, in Pazifikinselstaaten wie Tonga, Samoa sowie im US-Bundesstaat Hawai keine von dem Seebeben ausgelösten höheren Meereswellen an.

Eineinhalb Millionen Obdachlose

In Chile haben die Erdstöße, die einige hundertmal stärker waren als jene, die am 12. Jänner 2010 Haiti erschütterten, große Schäden an Gebäuden und Infrastruktur angerichtet. Präsidentin Michelle Bachelet - sie ist nach ihrer Abwahl im Jänner nur noch zwei Wochen im Amt - sagte nach dem Besuch der am stärksten betroffenen Gebiete am Sonntag, dass über das wahre Ausmaß der Katastrophe noch keine genauen Angaben möglich seien. Mindestens 711 Menschen sind bisher gestorben. Doch allein unter den Trümmern eines Gebäudes in der schwer getroffenen Stadt Concepción werden an die hundert Verschüttete vermutet. Auch Dörfer und kleine Städte in den Bergen rund um Concepción meldeten schwere Schäden und Verschüttete. Geschätzte eineinhalb Millionen Menschen sind durch das Beben obdachlos geworden. Österreicher sollen sich, wie Außenamtssprecher Launsky-Tieffenthal am Sonntag verlautete, nicht unter den Opfern befinden.

"Wir hatten mit Freunden gefeiert, und plötzlich begann die Erde zu wackeln. Um uns herum stürzten Häuser ein, die Straßenlaternen schienen aus Gummi zu sein, und ich dachte, gleich würde sich die Erde öffnen und uns verschlucken." So erlebte der Student Sebastian Sanzana aus Santiago de Chile den Erdstoß am Samstag. Das Epizentrum lag rund 325 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Santiago vor der Küste in 30 Kilometern Tiefe.

Krater, Flammen, Dunkelheit

Die eineinhalb Minuten dauernden Erdstöße brachten Häuser und Brücken zum Einsturz, auf den Straßen rissen Krater auf, Landesteile an der Küste wurden überschwemmt. Das Gefängnis von Chillán ging in Flammen auf, Häftlinge entkamen. Auch eine Chemiefabrik in der Hauptstadt Santiago brannte. Eine Autobahnbrücke brach auseinander, in Teilen der Hauptstadt fiel der Strom aus. Der U-Bahn-Betrieb wurde nach dem Beben eingestellt. Menschen übernachteten auf der Straße und in den Vorgärten. Der internationale Flughafen musste wegen schwerer Schäden vorübergehend geschlossen werden, ebenso der Hafen von Valparaíso.

"Wir schliefen, als der Lärm und das Zittern uns weckte. Es wurde immer stärker und wir rannten auf die Terrasse", schrieb Maia Seeger aus dem Badeort Maitencillo in einer E-Mail. "Ich dachte, es sei das Ende der Welt", sagte der Händler Vicente Acuna aus der Stadt Talca zu Reuters. Die Städte Talca und Concepción wurden besonders heftig getroffen. Das historisches Zentrum von Talca wurde dem Boden gleichgemacht. Glücklicherweise befanden sich dort vor allem Geschäfte, die um halb vier Uhr morgens leerstanden.

EU schickt Soforthilfe

Präsidentin Bachelet hat am Samstag im Fernsehen den Notstand in fünf Provinzen ausgerufen und die an sich am Montag zu Ende gehenden Ferien um eine Woche verlängert. Die EU gab drei Millionen Euro an Soforthilfen für Chile frei. Bachelets Nachfolger Sebastian Piñera erklärte, zwei Prozent des Haushalts für den Wiederaufbau verwenden zu wollen. Chile gilt als einer der wohlhabendsten Staaten Südamerikas.

Zu Befürchtungen auf den internationalen Kupfermärkten hat indes die durch das Beben bedingte vorübergende Schließung von Bergwerken im wichtigen Förder- und Exportland Chile geführt. Die Preise könnten steigen, hieß es. (Reuters, afp, dpa, wss, DER STANDARD Printausgabe, 1.3.2010)