Ein von einem umgestürzten Baum zerstörtes Auto in Darmstadt.

Foto: dpadpa/Jürgen Mahnke

Paris/Hamburg – Verheerende Bilanz: Das Orkantief "Xynthia" hat in Westeuropa mindestens 63 Menschen in den Tod gerissen und Schäden in Millionenhöhe verursacht. Allein in Frankreich sind nach Angaben des Zivilschutzes 51 Menschen ums Leben gekommen, acht weitere wurden am Montag noch vermisst. Bis zu 180 Stundenkilometer schnelle Böen rasten am Sonntag auch über Deutschland. Sieben Menschen starben. Auf Straßen, Schienen und in der Luft brach ein Verkehrschaos aus.

Am Montag normalisierte sich die Lage in Deutschland langsam. Überall wurden kubikmeterweise Holz, demolierte Autos, herausgerissene Verkehrsschilder und herabgestürzte Dachziegel aufgeräumt. Für Schätzungen der Schadenshöhe sei es noch zu früh, teilten die Versicherungen Münchner Rück und Allianz mit. Allein in Rheinland-Pfalz müssen Reparaturen im Wert von zwei Millionen Euro in Auftrag gegen werden, wie das Innenministerium mitteilte.

Besonders schlimm war "Xynthia" über die französische Atlantikküste hereingebrochen. Staatspräsident Nicolas Sarkozy zeigte sich geschockt, als er die Verwüstungen und die Leichen sah: "All diese Menschen, die ertrunken sind, das ist niederschmetternd." Sarkozy kündigte Hilfen in Höhe von drei Millionen Euro an. Er wollte den Notstand ausrufen lassen, damit Versicherungen schneller Entschädigungen zahlen. Gegen Mittag waren in Frankreich noch etwa 220.000 Haushalte ohne Strom. In Nordspanien und Portugal gab es vier Tote. In Belgien wurde ein Mann im Garten von einem Baum erschlagen.

Orkanböen in Deutschland

Auch in Deutschland knickten die gewaltigen Orkanböen Bäume wie Streichhölzer um – vier Menschen kamen deshalb ums Leben. Eine Frau aus dem südpfälzischen Landau, die von einem umstürzenden Eisentor getroffen worden war, erlag in der Nacht auf Montag ihren schweren Verletzungen. In Niedersachsen wurde ein Mann mit seinem Auto von der Fahrbahn gegen einen Baum geweht. Im hessischen Biblis riss vermutlich eine Böe einen Zweijährigen in einen Fluss. Im Schwarzwald kam ein Autofahrer ums Leben, bei Wiesbaden ein Wanderer. In Nordrhein-Westfalen starben eine Joggerin und eine Autofahrerin.

Am schlimmsten wütete der Sturm in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg. Gemessen an der Zahl der Opfer war "Xynthia" ein schlimmerer Orkan als "Kyrill" (2007) mit 47 Toten. "Lothar" hatte im Dezember 1999 nach Angaben der Münchner Rück europaweit 110 Menschen in den Tod gerissen, andere Quellen nennen eine geringere Opferzahl. Die Forstschäden halten sich diesmal in Grenzen. Der Verkehr normalisierte sich am Montag weitgehend.

Lediglich einen Blick ins Freie bekamen indes Häftlinge der Justizvollzugsanstalt I in Frankfurt-Preungesheim. Der Sturm hatte dort einen etwa sechs Meter hohen provisorischen Gefängniszaun aus Metallplatten und Stacheldraht umgeweht. Mit Maschinenpistolen bewaffnete Beamte bewachten das Loch in der Gefängnismauer. In Müntz bei Jülich in Nordrhein-Westfalen donnerte die Kirchturmspitze der katholischen Kirche St. Peter ins Seitenschiff.

Eingeschränkter Flugverkehr

In Folge des Sturmtiefs musste auch am Montag mit Einschränkungen im Flugverkehr über Deutschland gerechnet werden. "Bis es wieder zum Normalbetrieb kommt, dauert es eine Weile", sagte am Morgen eine Sprecherin des Flughafens von Frankfurt am Main. Bei den ersten Flügen habe es Verspätungen bis zu einer Stunde gegeben. Wegen "Xynthia" mussten den Angaben zufolge am Sonntag in Frankfurt am Main gut 250 Flüge komplett gestrichen werden. (APA)