Das Gravitationslinsensystem B1608+656, aufgenommen mit der "Advanced Camera for Surveys" an Bord des Hubble-Teleskops. Die Bilder der Quellgalaxie sind hier mit A-D bezeichnet, die beiden Linsengalaxien mit G1 und G2.

Foto: NASA/STScI, ESA, S. H. Suyu (University of Bonn), P. J. Marshall (Stanford University)

Bonn - Bilder des Hubble-Teleskops als Grundlage für Altersbestimmung: In einer detaillierten Studie, die mehr Faktoren berücksichtigte als bisherige Berechnungen, haben Forscher der Universität Bonn gemeinsam mit Kollegen der US-Universitäten Stanford und Kalifornien das Alter des Universums auf 13,75 Milliarden Jahre datiert. "Nach unseren Berechnungen ist das Universum 13,75 Milliarden Jahre alt", so Dr. Sherry Suyu von der Uni Bonn, "maximal 170 Millionen Jahre älter oder 150 Millionen Jahre jünger". Eine Unsicherheitsspanne, die immerhin der Hälfte der Evolutionsgeschichte vielzelliger Tiere auf Erden entspräche, dennoch ist die neue Messung so genau wie nie zuvor.

Das Forscherteam hat mit Hilfe so genannter Gravitationslinsen die Hubble-Konstante bestimmt. Diese beschreibt, wie schnell sich unser Universum ausdehnt. Daraus lässt sich ableiten, wie viel Zeit seit dem Urknall vergangen ist. Bisher galt die Gravitationslinsen-Methode als verhältnismäßig unpräzise. Dr. Sherry Suyu von der Uni Bonn und ihre Kollegen konnten nun jedoch die Konstante mit einer Genauigkeit von sieben Prozent bestimmen, wie sie in Kürze im Fachmagazin "Astrophysical Journal" darlegen werden.

Gravitationslinsen

Um die Hubble-Konstante zu ermitteln, müssen die Forscher wissen, wie weit eine Galaxie von uns entfernt ist und wie schnell sie sich von uns fortbewegt. Letzteres lässt sich anhand der Rotverschiebung ermitteln: Je schneller sich eine Galaxie wegbewegt, desto stärker sind die Wellenlängen des Lichts, das von ihr ausgeht, in den rötlichen Bereich verschoben. Die absolute Entfernung der Erde zu einer fremden Galaxie zu ermitteln, ist dagegen sehr viel komplizierter.

Das internationale Team benutzte dafür eine noch relativ junge Methode: Sie betrachteten eine Galaxie - die so genannte Quelle -, die hinter zwei anderen, nah beieinander liegenden, massereichen Galaxien liegt. Die starke Gravitation dieser Galaxien krümmt den Raum. Bewegt sich Licht von der Quelle nahe an den Galaxien vorbei, wird es durch die Schwerkraft ähnlich wie von einer Linse abgelenkt. Astronomen sprechen daher auch von Gravitationslinsen.

Berechnung

Als Folge sehen wir die Quelle nicht einmal, sondern gleich mehrmals am Himmel, da das Licht auf unterschiedlichen Wegen um die Linsengalaxien herum zu uns gelangen kann. "In unserem Fall gab es vier Abbilder der Quelle, die ringförmig um die Linse herum erschienen", erklärt Dr. Sherry Suyu. Die Quellgalaxie selbst veränderte mit der Zeit ihre Helligkeit. Diese Helligkeitsänderung zeigte sich auch in den vier Bildern - allerdings zu unterschiedlichen Zeiten: "Die Wege, die das Licht der Quellgalaxie durch die Linse nehmen kann, sind unterschiedlich lang", sagt Sherry Suyu. "Daher hellte zuerst dieses Bild unten links auf. Etwa 30 Tage später wurde das Abbild oberhalb der Linse heller."

Aus dem Zeitunterschied zwischen den vier Bildern konnten die Astronomen die Entfernung zur Quelle ermitteln. Dr. Phil Marshall vom Kavli-Institut für Astroteilchenphysik und Kosmologie der Universität Stanford in Kalifornien erläutert: "Wenn wir wissen, wie die Linse beschaffen ist, können wir vorhersagen, wie lange das Licht der vier Bilder für seinen Weg von der Quelle durch die Linse zu uns jeweils braucht. Vergleichen wir diese Werte mit dem Zeitunterschied, den wir bei den vier flackernden Bildern tatsächlich beobachten, wissen wir, wie weit die Linsengalaxie und die Quelle von uns entfernt sind."

Erstmalig hat das Team in seine Berechnungen auch alle anderen Galaxien mit einbezogen, die zwischen der Erde und der Quelle liegen. "Ohne diese zusätzlichen Massen erhält man für die Hubble-Konstante einen zu hohen Wert", erklärt Dr. Stefan Hilbert, Dr. Suyus Kollege am Argelander-Institut. Das Universum würde dann jünger geschätzt, als es tatsächlich ist.

Dunkle Energie

Forscher vor ihnen haben bei der Berechnung der Hubble-Konstante meist einfach vorausgesetzt, dass das Universum flach und nicht gekrümmt ist. Dr. Suyu und ihre Kollegen haben jetzt berechnet, dass diese Annahme tatsächlich stimmt. Und auch über die mysteriöse dunkle Energie, die das Universum immer schneller expandieren lässt, wissen sie jetzt mehr: "Unsere Berechnungen haben ergeben, dass unser Universum zu 72 Prozent aus dunkler Energie besteht, wie auch immer sie aussehen mag", sagt Dr. Suyu. "Der Rest ist die gewöhnliche Materie, die wir kennen, und Dunkle Materie, nach der unter anderem Forscher am Genfer CERN suchen." (red)