Neues Wissen über die Herkunft der Eisbären lässt auf ihre Zukunft schließen.

Foto: US Fish and Wildlife Service

Washington/Wien - In den vergangenen Jahren sind die Eisbären zu so etwas wie den Wappentieren des Klimawandels geworden: Die Raubtiere könnten nämlich die ersten Opfer sein, wenn aufgrund der Erderwärmung in der Arktis das Eis zurückgeht.

Ist die Zukunft der Tiere alles andere als klar und gesichert, so weiß man seit Neuestem mehr darüber, seit wann sie als eigene Art existieren - nämlich seit 150.000 Jahren als Abspaltung von Braunbären. Diese neuen Erkenntnisse könnten wiederum dabei helfen, ihr Überleben zu prognostizieren, wie die aus Norwegen stammende Biologin und Genetikerin Charlotte Lindqvist erklärt.

Möglich wurde das alles dank eines auf den ersten Blick nicht allzu spektakulären Fossil-Funds auf Spitzbergen. Vor sechs Jahren hatte ein isländischer Geologe auf der Inselgruppe nördlich von Norwegen einen gut erhaltenen Kieferknochen und einen Eckzahn eines Eisbären entdeckt, die sich als ziemlich alt herausstellten: Der dazugehörige Fossilienspender hatte nämlich vor 110.000 bis 130.000 Jahren gelebt.

Die steinalten Bärenrelikte landeten im naturhistorischen Museum von Oslo, wo Lindqvist damals noch arbeitete. Sie bohrte Zahn und Kieferknochen an und entnahm ihnen DNA, die sich aufgrund der guten Konservierung im Eis die ganze Zeit über erhalten hatte. Als die sie dann 2008 an die Penn State University in den USA übersiedelte, nahm sie die Proben zur DNA-Analyse mit. Und dazu hatte sie genetisches Vergleichsmaterial im Gepäck: von Braunbären, die heute auf einigen abgelegenen arktischen Inseln leben und als die nächsten Verwandten der heutigen Eisbären gelten.

Bei der Analyse der alten Erbsubstanz - die im übrigen doppelt so alt ist wie die älteste bislang sequenzierte DNA von Mammuts - stellte sich heraus, dass die Eisbären sich vor rund 150.000 Jahren von den Braunbären als eigene Art abgespaltet und sich dann sehr schnell an die spezielle arktische Umgebung angepasst haben dürften, wie die Forscher um Charlotte Lindqvist im Wissenschaftsjournal PNAS schreiben.

Das bedeutet auch, dass die Raubtiere eine Zwischenwarmzeit vor rund 120.000 Jahren, während der es noch wärmer war als heute, überstanden haben. "Wobei ihnen Spitzbergen als Refugium gedient haben könnte", wie Lindqvist vermutet.

Das lässt die Biologin einerseits hoffen, dass Eisbären auch die aktuelle Wärmeperiode überstehen könnten. "Andererseits vollzieht sich der Klimawandel so schnell, dass fraglich sei, ob sich die evolutionär hochspezialisierten Bären entsprechend rasch anpassen können." (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 2. 3. 2010)