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Überflutete Häuser und versunkene Autos in La Faute sur Mer im Südwesten Frankreichs am Montagnachmittag.

Foto: AP/Vincent

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51 Menschen sind nach den von einer Flut gefolgten Orkanböen in Westfrankreich gestorben - und diese Bilanz war am Montag erst provisorisch. Acht Personen wurden noch vermisst. Für die Nacht auf Dienstag wurde eine neue Rekordflut vorhergesagt. Obwohl am Montag fast zehntausend Feuerwehrleute im Einsatz waren, drangen diese noch nicht in alle Häuser vor. Hinter geschlossenen Fensterläden werden weitere Opfer des "Xynthia"-Sturmes vermutet.

Allein in der Gemeinde L'Aiguillon-sur-Mer in der Atlantikregion Vendée starben 25 Menschen an den Folgen eines Dammbruchs. Betroffene berichteten, das Meerwasser sei unglaublich schnell eingedrungen, in einer halben Stunde habe es Deckenhöhe erreicht. Viele Urlaubsgäste - in Frankreich waren bis Sonntag Ferien - retteten sich in den ersten Stock. Andere schlugen auf Truhen und Tischen stehend Löcher ins Ziegeldach, um dem steigenden Wasser zu entkommen.

Nacht auf Dächern verbracht

Zahllose Feriengäste verbrachten die Morgenstunden des Sonntags im nassen Pyjama auf eiskalten Dächern. Mehrere ältere Personen ertranken im eigenen Haus, weitere erstickten oder wurden von Bäumen erschlagen. Ein Mann starb auf seinem Hausdach an einem Herzinfarkt, ein Junge wurde tot im Garten gefunden.

Der französische Wetterdienst hatte korrekt vor Windböen von bis zu 160 Stundenkilometern - den stärksten seit dem Jahrhundertsturm "Lothar" 1999 - gewarnt. Da gleichzeitig Flut herrschte, peitschte der Orkan die meterhohen Wellen so lange gegen einen Deich, bis dieser an einer Stelle brach. Die dahinterliegenden Häuser liegen zum Teil unter dem Meeresspiegel.

Dieser Umstand führte am Montag zu einer Debatte, warum dieses Gebiet überhaupt in der Bauzone liege. Die Präsidentin der Region Poitou-Charentes, Ségolène Royal, erklärte, für eine Beantwortung dieser Frage sei es zu früh. Der Vendée-Vorsteher Philippe de Villiers räumte ausweichend ein, vielleicht müsse man an der Küste "anders bauen". Wenn die Dämme nicht gestärkt würden, müsse man wohl die Bauzonen zurückverlegen. Staatspräsident Nicolas Sarkozy, der am Montag die Flutregion und eine Leichenhalle besuchte, kündigte eine Revision der Deich-Bestimmungen an. Eine Kommission soll schon in zehn Tagen einen Entwurf vorlegen.

Sarkozy versprach zudem Soforthilfe von drei Millionen Euro. Er dürfte den Küstenstrich bei La Rochelle am Dienstag zum Katastrophengebiet erklären, womit auch finanzielle Konsequenzen verbunden wären. Übersteigt die Schadenssumme in allen französische Regionen 3,5 Milliarden Euro, greift auch ein EU-Solidaritätsfonds, den Brüssel 2002 nach dem Elbe-Hochwasser eingerichtet hat. EU-Regionalkommissar Johannes Hahn will am Donnerstag nach Westfrankreich reisen, um sich die Sturmschäden vor Ort anzusehen.

Tote in weiteren Ländern

In anderen Ländern hinterließ "Xynthia" ebenfalls verheerende Schäden. In Spanien, Portugal und Belgien wurden fünf Menschen Opfer des Sturms, in Deutschland waren es sieben - die meisten ertranken, verunfallten im Auto oder wurden von Gegenständen getroffen. Innerhalb Deutschlands wütete der Sturm vor allem in den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg. Überall wurden am Montag demolierte Autos, gekippte Verkehrsschilder, herabgestürzte Dachziegel und Bäume weggeräumt. Die Forstschäden hielten sich in Grenzen. Der Bahn- und Flugverkehr normalisierte sich am Montag wieder weitgehend. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD-Printausgabe, 2.3.2010)