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José "Pepe" Mujica ist seit Montag Präsident von Uruguay.

Foto: Reuters/Andres Stapff

Die Garde der volkstümlichen linken Präsidenten Südamerikas ist um ein schillerndes Exemplar reicher: Seit Montag amtiert in Uruguay der frühere Blumenzüchter, Stadtguerillero und Landwirtschaftsminister José Mujica.

Auf den ersten Blick wirkt der 74-Jährige, den seine Anhänger nur "Pepe" nennen, mit seinem Schnurrbart und wehendem Haarschopf wie ein gemütlicher Großvater. Doch in Debatten zeigt sich der Autodidakt und Krawattenverächter als wortgewandter Intellektueller mit Witz, der alle Register der Volkssprache ziehen kann.

In den frühen 1960er-Jahren gehörte Mujica zum Gründungszirkel der Tupamaro-Rebellen. Einmal wurde er angeschossen, viermal verhaftet, zweimal gelang ihm die Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis. Das Militärregime von 1973 bis 1985 erlebte er komplett hinter Gittern, inklusive Folter und langer Isolationshaft.

Mujica steht zu seiner Vergangenheit: "Am meisten bereue ich, dass wir es nicht geschafft haben, die Diktatur mit Fußtritten zu beenden", bekannte er vor seinem Wahlsieg als Kandidat des Linksbündnisses im November 2009. Bei den Tupamaros lernte er auch die neun Jahre jüngere Lucía Topolansky kennen. Nach Ende der Diktatur kamen beide frei. Mujica wurde zunächst Abgeordneter, dann Senator und 2005 Landwirtschaftsminister. Als Senatspräsidentin nahm ihm seine Frau jetzt den Amtseid ab.

Beide wollen weiterhin in ihrem kleinen Häuschen am Rande Montevideos wohnen. Vier Fünftel seines Gehalts wird der neue Staatschef für soziale Zwecke abtreten. Er versteht sich als "libertärer Sozialist", der viel für selbstverwaltete Fabriken übrighat, aber wenig für Staatsdirigismus. Neulich trat er im Seebad Punta del Este vor 1700 Unternehmern aus aller Welt auf und versprach ihnen solide Investitionsbedingungen. Als "größte Verpflichtung" sieht Mujica die Aufgabe, die Kluft zwischen Arm und Reich in Uruguay zu verringern.

Viel mehr als sein Vorgänger Tabaré Vázquez ist Mujica ein engagierter Verfechter der lateinamerikanischen Integration. "Wenn wir uns nicht zusammenschließen, sind wir in der Welt, die auf uns zukommt, zu einer neokolonialen Rolle verdammt", warnt er. Als Erstes will er die arg strapazierten Beziehungen zu Argentinien einrenken. Seine Strategie: "Wir haben viel Geduld. Wir setzen uns an die Brücke und trinken Mate-Tee". (Gerhard Dilger/DER STANDARD, Printausgabe, 2.3.2010)