Nein, das ist gehen. Das ist falsch. Ich muss noch viel lernen.

Foto: Barbara Tinhofer

Das ist hüpfen! Wieder daneben!

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Das sieht schon ganz danach aus, als wäre ich auf dem richtigen Weg. Wie ich mich angestellt habe, lesen Sie das nächste Mal. Selbstläuferisch war's irgendwie nicht.

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Es grünt, es blüht, es rennt. Jede/r Städter/in wird das bestätigen können, wenn sie/er nur nah genug an einem Naherholungsgebiet wohnen darf. Wo vor fünfzehn Jahren hauptsächlich Feuer gemacht wurde, um sich Zigaretten anzuzünden, haben sich die meisten mittlerweile selbiges unterm Hintern gemacht, weil es um die Gesundheit geht: Sie laufen.

Der Trend zur niederschwelligen Sportart, vormals Joggen, ist ungebrochen. Speziell als Frauensportart wird das Laufen angepriesen, Frauenmagazine wie die "Brigitte" bieten auch heuer wieder Guides zum richtigen Training an. Der Aspekt der guten Figur beim und als Effekt des Laufens spielt da eine große Rolle. Und nebenher entwickelt frau auch den nötigen Biss, mit allfälligen Stressituationen des Alltags umzugehen. Laufen als Langzeit-Therapie, die einer beibringt, diszipliniert zu sein.

Um nicht nur darüber zu schreiben, was das Laufen theoretisch hergibt, hat sich dieStandard.at-Redakteurin Birgit Tombor zum Test am lebenden Objekt zur Verfügung gestellt. An dieser Stelle wird sie in einem fragmentarischen Lauf-Tagebuch darüber berichten, wie sie sich als absolute Beginnerin damit tut. Wo's weh tut, was gut tut. Die LeserInnen wiederum sind eingeladen, sich ihrerseits mit Tipps und Erfahrungsberichten einzubringen - (L)Auf geht's. 

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Am Dienstag war es warm, ich ausgeschlafen und bereit für meine kleine Revolution. Ich bin schnurstracks in einen der Läden, die alles für LäuferInnen und solche, die es werden wollen, führen. Den gleich bei mir ums Eck. Nur nicht zu viel Aufwand... an dieser unsportlichen Einstellung sollte ich wohl arbeiten? Erst wollte ich schon in Sport-Montur im Shop aufkreuzen, um gleich, ausgerüstet mit allem, was nötig ist, loszustarten, aber das kam mir heuchlerisch vor. Nicht, dass eine alte Joggingshose Marke Champion mit Bündchen am Knöchel mich unbedingt als Sport-Pro getarnt hätte; trotzdem besser to keep it real, damit auch der Verkäufer sieht, was er an mir hat. Eine Sesselsitzerin mit Null Lauferfahrung und bescheidener Kondition.

Der geübte Blick nämlichen Verkäufers hat mich schnell recht vertrauensselig werden lassen: Weder musste er fragen, welche Schuhgröße ich habe, noch "Wo drückt denn der Schuh". "Gehen Sie bitte ein paar Schritte. Und wieder zurück." Drei, vier Mal. Diagnose: Alles OK, nur - wie bei 80 Prozent der Bevölkerung, meinte er - ein Abknicken zur Knöchelinnenseite zu entdecken. Das aber unausgeprägt. Wie denn mein Trainingsplan aussieht? Wie lange ich durchlaufen will? Wo ich denn vorhabe zu laufen? Da wurde mir klar, ich hatte mir tatsächlich nicht viel Gedanken über mein neues Betätigungsfeld gemacht. Nur, dass man überall Laufen kann. Das ist ja das Feine daran. Keine Einschreibgebühren, kein teures Equipment, keine Trainings-Termine. Einfach laufen.

Einfach am Laufband laufen aber schon wieder nicht. Nachdem ich nach einigen Paar Schuhen eines verpasst bekommen habe - wie üblich eineinhalb Fingerbreit größer als meine Alltagsschuhgröße - das passte, ein Allrounder (für jedes Terrain geeignet) und blitzgrün mit grellgelben Schnürsenkeln, musste ich da rauf. Nach anfänglichem Stampfen kapierte ich, wie aufzutreten und, dass ich es mit der eingestellten Geschwindigkeit aufnehmen konnte. Nach der aufgezeichneten Analyse via Monitor stand fest: Der Schuh taugt nicht für mich, er stabilisiert meine Innenseite nicht. Und das will keine/r.

Nach weiteren Anproben dann der Schuh, der mich die nächste Zeit tragen wird und ich ihn. Stabiler Sitz, kein Drücken. Genug Halt gegen unliebsames und schädigendes Einknicken. Gekauft! Samt zwei Paar Laufsocken, die sich von herkömmlichen Tennis- oder Sportsocken dadurch unterscheiden, dass sie keine Rillen haben. Wird schon Sinn haben. Weiterem Equipment habe ich entsagt, schließlich: Keep it real. Ich will nicht als Pro auftreten, bevor ich tatsächlich eine bin. Da! Aufgeblitzt: Erste Anzeichen von Größenwahn. Kaum zwei Minuten am Laufband, kaum einmal Laufschuhe angehabt, schon sehe ich mich athletische Glanzleistungen vollstrecken und dopamingeflutet Glücksschreie ausstoßen: Ich kann laufen!

So war es dann aber nicht. Nach einem Zwischenstop daheim, bequemes Laufgewand zusammengestoppelt, bin ich dann los. Eine Kapuzenjacke mit zwei Taschen erfüllte ihren Zweck: Wo sonst hätte ich meinen fetten Schlüsselbund verstauen können, damit er gegen meinen Beckenknochen schlenkert? Da fragte ich mich, wie das die anderen so machen, wenn niemand sonst zuhause ist, sodass sie notgedrungen mit Schlüssel außer Haus gehen müssen? Das Nötigste von Bund nehmen? Sich einen Lauf-Schlüsselbund zulegen? Sich aussperren? Oder haben die modischen Gürteltaschen doch Sinn?

Jedenfalls war meine Laufdestination der Augarten. Ich war eine unter vielen. Alte, Junge, Fitte, Unfitte - ich gehöre eindeutig zu letzteren. Nach anfänglichem schnellen Gehen - und telefonieren - überkam mich das Wollen. Ich nahm die Herausforderung an, die mir da in die Glieder fuhr, sagte "Baba" und lief los. (bto/dieStandard.at, 1.4.2010)