Medeski Martin & Wood  zerlegen recht gerne auch ihre eigenen Musikstücke.

Foto: Universal

Nennt uns altmodisch, und ihr habt ja auch recht, aber: Wir halten hier ein gewichtiges Argument in Händen, warum es schade wäre, Musikdingen nur noch in Form von Downloads zu begegnen. Medeski, Martin & Wood beschenken uns mit einer Box - Radiolarians: The Evolutionary Set (Universal) - in der fünf CDs, zwei Vinylscheiben und auch eine DVD über das Trio enthalten sind. Das sind konkret drei Studio-Alben, ein Liveding, ein Remix-Produkt, bei dem sich unter anderem DJ Spooky, DJ Logic, DJ Olive and Scott Harding bearbeitende Gedanken zu der Musik des Trios gemacht haben. Und: Auch eine Liveangelegenheit rundet das umfassende Porträt dieser Combo ab.

Die drei haben die dokumentarische Opulenz verdient: Keyboarder John Medeski, Drummer Billy Martin und Bassist Chris Wood arbeiten seit den frühen 1990ern zusammen, sind jazzaffine Kinder der Popkunst, die sich auch die Freiheit nehmen, Funk, Rock, Soul Jazz, Drum 'n' Bass, HipHop und mehr - wie auch die psychedelischen 1970er - zu fusionieren. Man kennt sie auch über die Hit-CD A Go Go von Gitarrist John Scofield. Der gelassene Saitenkneter hat mit ihnen auch bei "Medeski, Scofield, Martin & Wood" (CD: Out Louder) kooperiert.

Hier sind die Stücke recht episch angelegt, und haben sie gemeinhin eine klare Form, so werden die formalen Eckpfeiler von der dekonstruktivistischen Fantasie und Energie der Musiker gerne zerlegt. Das Trio weitet also seine eigenen Stücke gerne aus, löst sie in wilden Soundgemälden auf. Und wirkt dabei als undogmatisches Kollektiv, das Offenheit mit Impulsivität kombiniert. Der Projekttitel Radiolarians meint übrigens Radiolarien, früher auch als Strahlen- oder Gittertierchen bezeichnet, also einzellige Lebewesen mit sehr schönen Gehäusen, die auch zur optischen Gestaltung der CD-Box herangezogen wurden. Soll sein.

Hitzige bis entspannt fließende, verwölkte Musik haben wir jedenfalls hier vorliegen, wobei live natürlich noch etwas mehr ungestüm-ausgelassene Trialoge zu erleben sind. Die Herren ziehen es vor, sich selbst auf der Bühne nicht mit CD-Dingen zu zitieren, sondern zu improvisieren. Was ihre Haltung dann doch sehr jazzig macht. (Ljubisa Tosic / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.4.2010)