Das US-Duo White Hinterland.

Foto: Dead Oceans

 WHITE HINTERLAND
Kairos
(Dead Oceans / Trost)
Das US-Duo mit Sängerin Casey Dienel präsentierte sich auf seinem 2008 erschienenen Debüt Phylactery Factory als im mit mittlerweile strengen formalen Freak-out-Vorgaben ausgestatteten Weird-Folk-Genre. Auf dem neuen Album findet eine radikale Neuerfindung statt. Statt allerlei auch in Wald und Flur bespielbarem Instrumentarium geht es mit schlank gehaltenem elektronischen Gerätepark Richtung Minimalismus und unterkühlter Wave-Pop. Altvordere wie die legendären Young Marble Giants stehen Pate, White Hinterland gewinnt allerdings dank Dienels im Jazz geschulter Stimme vor allem dann ein eigenes Format, wenn sie in freien Pop-Hymnen wie Icarus oder dem auch einer Björk auf Afrikareise gut zu Gesicht stehenden No Logic ein klein wenig Sentiment in ihrem Vortrag zulässt.

LINDSTROM & CHRISTABELLE
Real Life Is No Cool
(Smalltown Supersound)
Der norwegische Techno-DJ Hans-Peter Lindstrom verbindet hier gemeinsam mit der über den Tracks frei improvisierenden, ein wenig vom guten alten "Club Jazz" der 1980er-Jahre gestreiften Sängerin Christabelle Sandoo maßgeschneiderte Trenddisco-Beats am Puls der Zeit mit klassischen Disco-Zitaten zwischen Giorgio Moroder, Donna Summer, Patrick Crowley und Michael Jackson. Dazu tuckern und pluckern krautrockige Synthies zwischen Neu!, cluster und auch Tangerine Dream und Klaus Schulze. Das ergibt ein toll zerschossenes retrofuturistisches Tanzalbum für das Sofa zu Hause oder einen Discokaffee in der nachmittäglichen Coffee Lounge.

DANTON EEPROM
Yes Is More
(InFiné)
Der französische Produzent fladert sich wie ein Wilder durch die Popgeschichte. Er bedient sich gleich im Intro beim alten Pop-Cheflieferanten David Bowie und "adaptiert" dessen Fashion mit Tom-Tom-Geböller aus historischen Instrumenten wie dem elektronischen Schlagzeug, das man sich freiwillig zuletzt im Titelsong des Ghostbusters-Films im Jahr 1984 anhörte. Aber auch nur, weil man im Kino gerade eine Eintrittskarte gekauft hatte, für die man eine halbe Vinyl-Schallplatte von Nick Caves From Her To Eternity oder Hatful of Sorrow von The Smiths erstehen hätte können. Mit House- und Elektro-Funk befeuerte Tracks von Danton Eeprom wie Stilettos Rising oder Give Me Pain machen trotzdem Spaß. Gerade auch weil sie so schamlos gestohlen sind. Tight etwa beruht im Wesentlichen auf dem Bassriff von Michael Jacksons Billie Jean und ein wenig Kühlschrankgestöhne für nächtens auf der Tanzfläche aufgrund des schädlichen Einflusses der 1968er-Generation entstehenden Geschlechtshunger. Was uns der Künstler ersparen hätte können: Eine hundertste überflüssige Coverversion des Discoklassikers Lost In Music. Merke: Nie etwas nachmachen, was auch betrunkene Geschäftsleute in Karaoke-Bars in den Saal grölen! Ansonsten ein durchwegs kurzweiliges Album, das der auf dem Cover etwas ungelenk auf einem Kaltblüter sitzende Mischpultfürst da abgeliefert hat.

BRANT BJORK
Gods & Godesses
(Low Desert Punk / Hoanzl)
Der ehemalige Drummer der aus Palm Desert, Kalifornien, stammenden Stoner-Rock-Legenden Kyuss, bei denen auch Josh Homme von den Queens Of The Stone Age und derzeit Them Crooked Vultures seine frühen Triumphe feierte, hat schon vor Jahren an die Gitarre und ans Mikrofon gewechselt. Musikalisch ist Bjork im Gegensatz zum abenteuerlustigeren Homme den alten Vorgaben allerdings weitgehend treu gebliebenen. Fauler-Willi-Rock, der sich gemächlich in der Sonne streckt, zwischendurch ein bisschen Gras raucht, eine Dose Bier kippt und sich selbst beim Haarewachsen zusieht. Am 2. April gastiert Bjork mit seinem Quartett in der Wiener Arena. Am 3. April konzertiert er im Salzburger Rockhouse. Konzerte von ihm dauern gern drei Stunden. Was ist schon Zeit. (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.4.2010)