St. Kathrein / Wien - Franz Ederer ist Pensionist und "ein positiv Verrückter" , wie er selbst sagt. "Die Verrückten bringen die Welt vorwärts." Der 63-jährige Steirer hat sich der Brauchtumspflege verschrieben und baut in seiner Werkstatt in St. Kathrein am Offenegg Ratschen. Die Ratschen ersetzen einem alten christlichen Brauchtum folgend in den Tagen vor der Auferstehung Christi die nach Rom zur Weihe geflogenen Glocken. Sie sollen die Uhrzeit anzeigen, ans Gebet erinnern und die Menschen vor Messbeginn zum Gottesdienst "läuten" .

"Ich habe keine Firma, nicht einmal eine Preisliste, ich arbeite eher im Stillen" , sagt der gelernte Wagner und Tischler. Nach einer schweren Krankheit musste er in Frühpension; seither widmet sich Ederer der Kulturpflege. Etwa hundert Ratschen fertigt er im Jahr, hält in Kooperation mit dem Steirischen Volksliedwerk Kurse. "Das Wichtigste in der heutigen modernen Computerzeit ist, gemeinsam mit Kindern und Eltern etwas Handwerkliches zu machen" , sagt Ederer. Rund 30 verschiedene Ratschen-Modelle unterscheidet Ederer; die gängigsten sind Flügel-, Kasten-, Klapper-, Fahnen-, Brett- oder Schubkarrenratschen. "Wir verwenden nur heimisches Holz wie Tanne oder Esche, kein Tropenholz." Darauf legt Ederer wert. Man müsse, meint er, die Stärken und Traditionen einer Region pflegen und nicht immer andere Nationen "nachäffen" .

Ostern hält der Tischlermeister für "das wichtigste Fest der Christen" . Es ginge aber nicht nur um Religion. Das Aufleben des alten Brauches soll auch den Tourismus im Almenland ein wenig ankurbeln, hofft er. (Barbara Forstner, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 2.4.2010)