Der Internationale Währungsfonds (IWF) gab diese Woche eine bemerkenswerte Warnung heraus. Einige osteuropäische Währungen wie die polnische Zloty, der ungarische Forint und die tschechische Krone hätten in den vergangenen Monaten zu stark aufgewertet. Investoren würden Griechenland, Portugal undSpanien meiden und sich lieber in Ostwährungen einkaufenen. Das treibe die Währungskurse hoch und gefährde die Exportwirtschaft, so der IWF.

Prag, Warschau und Budapest sind für Anleger "zu" interessant?Vor einem Jahr schien das unmöglich. Die Horrormeldungen kamen damals fast täglich. Die Ratingagentur Moody's drohte plötzlich einem Dutzend westeuropäischer Banken mit einer Abwertung wegen ihres Ost-Engagements. Im März erreichten die Spekulationen auf Staatspleiten in der Region den Höhepunkt. Anfang April warnte der US-Starökonom Paul Krugman wegen der Entwicklungen gar vor der Pleite Österreichs.

Das Kartenhaus wankte. Aber es stürzte nicht ein. In Zentral- und Osteuropa sind im vergangenen Jahr "nur" 17 Großbanken pleite gegangen, in den neuen EU-Mitgliedsländern gerade eine, die lettische Parex.

Polen, Tschechien, Slowakei und Slowenien werden heuer wieder wachsen, ab 2011 sogar kräftig. Aber warum lagen die Ökonomen vor einem Jahr so falsch und wie stabil ist der Aufschwung?

Michael de Man kennt einige Antworten. Der KBC-Banker tut etwas, was noch vor einem Jahr unvorstellbar gewesen wäre: Er preist den Kauf ungarischer Staatsanleihen an.

Ungarn stand Ende 2008 vor der Pleite und musste vom Internationalen Währungsfonds (IWF) gerettet werden. Das Land hat seither Pensionen und Gehälter gestrichen, Steuern erhöht. "Ungarn war weltweit eines der wenigen Länder, das in der Krise sein Defizit reduzieren konnten" , sagt De Man lobend. Das macht sich in Zeiten weltweit explodierender Schulden gut. Was für Ungarn gilt, hilft der ganzen Region: Der Osten ist weniger in der Kreide als der Westen (siehe Grafik), es gibt keine Risiken à la Griechenland.

Nicht über einen Kamm scheren

Von außen übersehen wurde nicht nur die Schuldenlage. "Es hat gedauert, bis Investoren begriffen haben, dass man nicht alle Staaten über einen Kamm scheren kann" , sagt De Man. Polen ist 2009 gewachsen, Tschechien hat es nicht so schlimm erwischt wie Lettland und die Ukraine.

Den Absturz verhindert haben schließlich die Milliardenhilfen des IWF und der "Vienna Initiative" , die von der Osteuropabank EBRD und der Weltbankgruppe finanziert wird. Im Zuge der Initiative wurden 19 Milliarden Euro in den Bankensektor gepumpt.

Wie immer gibt es freilich auch eine Kehrseite der Medaille: Das größte Problem für Osteuropa ist heute die Arbeitslosigkeit. In einigen Staaten explodierten die Zahlen, sie werden 2010 weiter steigen. Lettland führt mit einer Rate von 22 Prozent die EU-Statistiken an, schlimm ist es auch in Bosnien (27 Prozent) und Serbien (20 Prozent). Das Problem trifft Staaten, dessen Auffangnetze spärlich ausgebildet sind, doppelt.

Der Ökonom Vladimir Gligorov sieht zudem die Ungleichheiten wachsen.Zentraleuropa mag sich stabilisiert haben. Wegen fehlender Industrieproduktion und mangelnder Exporte verlieren Südosteuropa und das Baltikum denAnschluss, sagt Gligorov. Tatsächlich schrumpfen etwa die Volkswirtschaften Kroatiens, Bosniens, Lettlands noch weiter.

Hinzu kommt die neue "Risikoquelle" Griechenland, sagt Jeromin Zettelmeyer, Chefstratege bei der EBRD. Griechische Banken halten in Bulgarien einen Marktanteil von 30 Prozent, in Rumänien und Serbien zehn Prozent. Ziehen sie Gelder ab, könnte eine Kettenreaktion folgen.

Eine große Unbekannte betrifft schließlich die Politik. Zur Überraschung vieler Beobachter, sind soziale Unruhen ausgeblieben. Mit Ausnahme Lettlands wurde keine Regierungen gestürzt. "Die wirklichen Verteilungskämpfe folgen der Krise meist erst mit Verspätung" , wendet Gligorov ein. Ein Testfall könnte Ungarn werden, wo am 11. April die erste runde der Parlamentswahlen ansteht. Die extrem rechtsnationale Jobbik könnte bei den Wahlen Platz noch vor den Sozialisten Platz zwei erringen. (DER STANDARD; Print-Ausgabe, 2.4.2010)