Nach einigen Jahren der Erfahrung als SPÖ-Abgeordneter versuchte sich Josef Broukal nun als Mund-zu-Mund-Beatmer seiner Partei. Er gab ein Buch heraus, in dessen Titel der frohgemuten Behauptung "Nachrichten vom Ableben der SPÖ sind stark übertrieben!" die skeptische Frage folgt "Schafft die Sozialdemokratie den Turnaround?" Ob mit dem Begriff "Turnaround" der Übergang vom Neoliberalismus in eine sozialistische Gesellschaft gemeint ist oder nur ein Nationalratswahlergebnis, das die SPÖ um ein Prozent stärker zeigt als die ÖVP, bleibt offen. Vermutlich irgend etwas dazwischen, aber näher zur ÖVP. Jedenfalls deutet der in der Frage steckende Zweifel an, dass es sich bei Nachrichten vom Ableben der SPÖ inzwischen um eine Vision handelt, die eine Arztvisite am Krankenbett der heimischen Sozialdemokratie geboten erscheinen lässt, nicht zuletzt deshalb, weil sich die Sozialdemokratie als Arzt am Krankenbett des Kapitalismus als Kurpfuscherin erweist.

Wer das Treiben österreichischer Parteien kontinuierlich verfolgt, erinnert sich an zahlreiche solcher literarischen Revitalisierungsbemühungen, im Jahr 1 Kreisky beginnend mit "Was ist heute links?" des Marxisten Josef Hindels über Günther Nennings "Rot und realistisch" 1973, über die "Rekonstruktion der Sozialdemokratie" von Josef Weidenholzer 1987 und Caspar Einems "Gegenwind, auf der Suche nach der sozialdemokratischen Identität" 1998. Dies nur als Beispiele, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

We auch jetzt in Broukals Sammelband haben seit Jahrzehnten kluge Menschen die SPÖ mit kritischen Erkenntnissen und sinnreichen Vorschlägen begleitet. Manche sind darüber verstorben, andere haben sich - in einigen Fällen auf dem Umweg über ein Ministeramt - in die Rente verabschiedet. Sie sind dabei nicht in den Fehler vieler Philosophen verfallen, die SPÖ allzu verschieden zu interpretieren, dazu gab es keinen Anlass gab, nur - wo es darauf angekommen wäre, sie zu verändern, waren die Warner vor allzu blankem Opportunismus des Apparats auf dem falschen Dampfer.

Wer jahrzehntelang nicht hören will, bekommt es zu spüren. Als Schreckbild in der SPÖ gilt ihr Kärntner Ableger, der sich von 51 auf 29 Prozent heruntergewirtschaftet hat. Darüber wird geflissentlich übersehen, dass die Bundespartei dasselbe geschafft hat, ohne einen Jörg Haider als unmittelbares Gegenüber. Die Sichtweise an der Parteispitze hat sich dementsprechend verengt: Hauptsache, wir stellen den Bundeskanzler, egal, was wir dafür preisgeben; und egal, wie viele Zwischenwahlen wir verlieren - spätestens 2013 geschieht ein Wunder.

Wo Wunderglaube bei ständig schmelzenden Wähler- und Mitgliederzahlen Einsicht in politische Notwendigkeiten verhindert, wo der Aberglaube unausrottbar erscheint, Politik sei, den Boulevard mit Inseraten aus der Regimentskassa zu füttern, wo der Irrglaube waltet, ein wiedergewählter Bundespräsident wäre schon das Fanal eines Turnarounds der SPÖ, dort sollte man Josef Broukals und seiner Mitstreiter Versuch eines Exorzismus als intellektuelles Bemühen würdigen. Mehr wäre, wie es aussieht, stark übertrieben. (Günter Traxler, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.4.2010)