Ist Heinz Fischer feige? Ja, behaupten seine Konkurrenten. Ja, behaupten manche Medien. Weil er "kneift" . Weil er sich seinen Konkurrenten nicht stellt, weil er einer direkten Auseinandersetzung, vom ORF inszeniert, aus dem Wege geht.

In jedem längeren, kritisch angehauchten Porträt des Heinz Fischer wird gerne eine Anekdote erzählt, die seine ausweichende Haltung demonstrieren soll. Fischer hört das gar nicht gerne, und ob die Anekdote wirklich stimmt, weiß man nicht. Es sei Bruno Kreisky gewesen, der in den 80ern so oder so ähnlich über seinen Freund geredet hat: "Aus dem Heinzi wird noch was - immer wenn's schwierig wird, ist er am Klo und kommt zurück, wenn die Sache ausgestanden ist." Wenn es nicht wahr ist, ist es gut erfunden. Und es bezeichnet Heinz Fischers Weg in die Hofburg. Er ist tatsächlich etwas geworden.

Fischer ist tatsächlich der abwägende Mensch, immer vorsichtig, oft unverbindlich. In manchen Formulierungen muss man den Unterton lange suchen. Fischer bekennt sich zur leisen Diplomatie. So war er immer, und so findet er, dass ein Bundespräsident sein muss: für alle da, sich nicht viel einmischen, nicht stören. So wollen das die Leute, das ist eine strategische Überlegung, und so ist er, da kann er gar nicht anders.

Fad? Mag sein. So sieht es die bürgerliche Presse. Einige Bobo-Journalisten hätten gerne mehr Abenteuer im Kopf, mehr Querdenken, weniger Konvention. Aber wehe, der Bundespräsident wäre tatsächlich einmal frech und würde aus der Rolle fallen. Gut, bei Heinz Fischer besteht diese Gefahr nicht. Wen es befriedigt: langweilig. Geschenkt. Aber Fischer ist kein Unterhaltungskasperl in der Hofburg, dafür eignet sich das Amt des Bundespräsidenten auch nicht.

Ist er deswegen feige?

Er ist mit Sicherheit nicht dumm. Das wäre er, würde er sich mit den beiden Menschen, die gegen ihn antreten und die aus dem Wahlkampf eine Folkloreveranstaltung machen, in direkter Auseinandersetzung messen. Dazu gibt es keinen Anlass.

Fischer wäre ganz schlecht beraten, würde er Barbara Rosenkranz oder Rudolf Gehring, beide auf ihre Art skurrile Randerscheinungen der österreichischen Politik, eine Bühne bieten. Er ist der Bundespräsident. Warum sollte er politischen Leichtgewichten und Nullgewichten die Möglichkeiten einräumen, ihn zu beflegeln? Denn diskutieren kann man mit den beiden nicht. Soll man Rosenkranz den Nationalsozialismus erklären? Mit ihr über Gaskammern diskutieren?

Gehring wirkt wie ein netter älterer Herr, auf den ersten Blick völlig normal, sympathisch fast. Beim Nachfragen und Bohren stellt sich allerdings heraus, dass er ein religiös eifernder Sonderling ist, der mittelalterliche Ansichten vertritt, gefährlich und intolerant. Würde dieser Mann Zustrom haben, man müsste sich fürchten.

Beide Kandidaten sind unter Heinz Fischers Niveau. Unvorstellbar, dass er sich mit ihnen gemeinsam vor eine Kamera stellt und zu streiten beginnt.

An dieser Stelle muss man beklagen, dass es keine anderen Kandidaten gibt, dass es ÖVPund Grüne verabsäumt haben, ihren Wählern ein Angebot zu machen: Sie lassen sie im Stich. Es ist ein Liebesentzug dieser Parteien gegenüber ihrer jeweiligen Gefolgschaft, es ist eine Missachtung ihrer Sympathisanten, es ist eine Geringschätzung des Anlasses und des Amtes.

Am Schluss bleibt stehen: Diese Wahl bietet keine Wahl. (Michael Völker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.4.2010)