Noch ist es nicht soweit, aber die deutschen Wissenschafter hoffen darauf, dass Blinde mit dem Chip in Zukunft grobe Graustufenbilder erkennen können.

Foto: Retina Implant

Reutlingen/Melbourne - Die Betroffenen von bestimmten Augenerkrankungen, die mit totaler Blindheit einhergehen, könnten in Zukunft durch den "Einbau" elektronischer Bauteile zumindest ansatzweise wieder ihre Sehkraft zurück erhalten. Denn einige Forschungsprojekte sind auf dem Weg zum künstlichen Auge bereits sehr weit gekommen: Das australische Forschungsunternehmen Bionic Vision Australia etwa hat am vergangenen Dienstag seinen ersten Implantat-Prototypen vorgestellt. Beim deutschen Implantat-Entwickler Retina Implant ist man sogar noch einen Schritte weiter; hier konnten die ersten Humanversuche erfolgreich abgeschlossen werden.

Erfolgreicher Test am Menschen

Nach Abschluss einer ersten klinischen Humanstudie mit elf Teilnehmern plant man bereits an der Durchführung der Hauptstudie, die Mitte des Jahres mit mindestens 40 Teilnehmern in Deutschland, England, Ungarn und Italien durchgeführt werden soll. Die erste Studie hatte gezeigt, dass einige Patienten nicht nur in der Lage waren Licht und Umrisse von Gegenständen zu erkennen, sondern sogar einzelne Buchstaben und unbekannte Objekte zuzuordnen. Läuft alles nach Plan, könnte das deutsche Unternehmen bereits 2012 mit seinem subretinalen Implantat Marktreife erhalten.

"Im Unterschied zu den australischen, aber auch anderen Forscherkollegen, wird unser Mikrochip unter der Netzhaut eingesetzt. Das besitzt den Vorteil, dass wir den natürlichen Prozess des Sehens direkt über die Netzhaut simulieren können, während die meisten anderen Hersteller auf zusätzliche Hilfsmittel wie Kameras oder spezielle Brillen angewiesen sind", erklärt Udo Greppmaier, Clinical Engineer bei Retina Implant.

Als Vorteil gilt, dass die notwendigen Komponenten - Fotosensoren, Verstärkerschaltung und Elektroden - direkt auf dem Chip vereint werden und keine aufwändige Bild-Umwandlung durchgeführt werden muss. Um eine optimale Sehverbesserung zu erzielen, setzen die deutschen Forscher den Mikrochip genau im Bereich der sogenannten Makula unter die Netzhaut, die als Scharfsehzentrum bei sehfähigen Menschen gilt. Über diesen Ansatz konnte ein Patient Rechtschreibfehler in seinem Namen erkennen sowie zwischen einer Gabel, einem Messer und einem Löffel unterscheiden.

Vom Umriss zum Objekt

Auch die australischen Forscher berichteten davon, dass mit ihrer Technologie bereits Umrisse und in einem späteren Schritt konkrete Objekte oder Buchstaben erkannt werden sollen. Die Bildaufnahme erfolgt durch eine auf einer Brille montierten Miniaturkamera, die die gesammelten Daten an einen Prozessor überträgt. Der auf der Netzhaut eingesetzte Chip empfängt die in elektrische Impulse umgewandelten Daten und sorgt durch die darauf befindlichen Elektroden für eine Stimulierung des Sehnervs bzw. der noch funktionierenden Nervenzellen.

Beiden Forschungsansätzen gemein ist, dass nur Patienten vom Implantat profitieren können, deren Netzhaut nur teilweise geschädigt ist. So leiden weltweit etwa 200.000 Menschen an der vererblichen Netzhautdegeneration Retinitis Pigmentosa, die zum kompletten Verlust des Augenlichts, zumindest aber zu schweren Sehbehinderungen im Erwachsenenalter führt. Diesen Betroffenen könnte schon bald mit einem der vorgestellten Implantate geholfen werden. (red/pte)