Zum 120-jährigen Jubiläum traf sich die Wiener SPÖ am Rathausplatz zur 1.-Mai-Feier. Die SPÖ-Führung schoß sich auf die FPÖ ein, den Hauptgegner bei Landtagswahl in Wien im Herbst. Laut Parteiangaben haben sich rund 100.000 Menschen zum alljährlichen Treiben eingefunden.

"Ein herzliches Freundschaft den Genossen aus Stammersdorf, Prost!", schallt es aus dem Lautsprecher. Vorbei an der Festbühne ziehen die Formationen aus den SPÖ- und Gewerkschaftssektionen und werden von den SPÖ-Granden auf der Bühne winkend begrüßt. Die SPÖ feiert sich selbst, den Tag der Arbeit und das 120-Jahr-Jubiläum der ersten Maifeier in Wien im Jahr 1890. Es sind keine einfachen Zeiten für Österreichs Sozialdemokratie. Verlorene Wahlen, das Sinken der Mitglieder und die Neuausrichtung der Partei bestimmten die diskussionen der letzten Jahre. Doch 2010 muss für die Wiener SPÖ ein erfolgreiches werden. Am 10. Oktober sind Landtags- und Gemeinderatswahlen in Wien. Die absolute Mehrheit gilt es zu verteidigen. So auch im Burgenland und in der Steiermark muss sich Landeshauptmann Voves dem Wahlvolk stellen.

Für viele ist der Aufmarsch am ersten Mai zur guten Tradition geworden. Berufsdelgationen - ob von den Wiener Linien oder wie hier den Rauchfangkehrer - treffen auf dem Platz ein. Viele haben auch so manche alte Fahnen mitgebracht. Anstecker werden verkauft, Wasser wird verteilt, die Sitztribünen links und rechts von der Bühne sind schon um 8.30 Uhr gut gefüllt.

"Ich bin schon seit dem 59er Jahr jedes Jahr da", so Karl Wursch. Mit Papiernelken und einer Sammeldose zieht Wursch seine Runden. Der Erlös der Spenden für die Ansteckblumen kommt den Kinderfreunden zu Gute. Wursch, seit seiner Kindheit in der SPÖ Ottakring aktiv, hat schon viele Mai-Aufmärsche miterlebt. "Die Stimmung ist sicher etwas gedämpfter gegenüber den damaligen Zeiten, der Hochzeit des Sozialismus und der ganzen Wirtschaftsentwicklung. Heute müssen wir schauen, dass wir unseren Wohlstand erhalten", so Wursch. Es kämen immer weniger Leute, vor allem die Jugend sei für solche Massenaufläufe schwer zu begeistern, was er aber auch nachvollziehen kann. Doch immerhin rund 100.000 Menschen haben es auch dieses Jahr - so die SPÖ - zum Rathhausplatz geschafft.

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Jedoch nicht alle Genossen sind mit der Partei zufrieden. „Der Kurs ist zu sehr in der Mitte, er gehört in die Seite", so Daniel Radosic (22). In Wien und Burgenland „taugen" ihm, Mitglied der Sozialistischen Jugend, die Parteiorganisationen mehr als im Bund. Die Bundespartei sei zu bürokratisch. „Sie haben es verlernt, etwas für die Arbeiter zu tun", so Radosic. Bei seinen jungen Kollegen und Freunden gewinnt die FPÖ zunehmend an Zuspruch.

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Allgegenwärtig sind Blasmusikkapellen. Schon in der Früh hat die erste in den Arkaden des Rathauses Platz genommen. Zum 120. Jubiläum sind unter anderem auch Delegationen aus Deutschland, Russland und Belgien nach Wien gekommen. Immer wieder wird die Internationalität der Sozialdemokratie betont.

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Ordner sorgen, wie hier ein Mann von der ÖBB, für die richtige Richtung des Festzuges. Jeder einzelne Zug wird vorgestellt. Freundschaft, Genossen, Freundschaft. Ein englischer Tourist hat sich auch auf den Rathausplatz verirrt. Erstaunt zeigt er sich, dass es sich dabei um eine Demonstration der Sozialdemokratie handle. In England ist der erste Mai zwar ein Feiertag, Kundgebungen werden von der Labour Party nicht abgehalten.

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Die Kundgebung verzögert sich, da noch nicht alle Teilnehmer am Rathausplatz eingetroffen sind. Auf einem Wagen der SPÖ-Landstraße sitzen zwei Männer und Stimmen ein Lied an: "Kinder zu Sonne, zur Freiheit", schallt es auf den Ring.

Kritik an der Partei kommt aber auch von den Teilnehmern der Kundgebung. Dieser Mann mahnt Werte ein, auch bei der Wahl von Martin Graf zu Dritten Nationalratspräsidenten.

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Auch die Finanzkrise ist Thema des Umzuges. Hier werden die Banker von den Arbeitern "an die Leine" genommen. ÖGB-Chef Erich Foglar betont in seiner Rede: "Viele von uns haben die Krise bezahlt, obwohl sie sie nicht verursacht haben."

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Michael Häupl, Bundeskanzler Werner Faymann und Erich Foglar nehmen die Parade ab.

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Auch etwas in Vergessenheit geratene Helden der Sozialdemokratie werden geehrt, wie hier der ehemaligen ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch.

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Ein sichtlich gut gelaunter Bürgermeister wedelt den vorbeiziehenden Gruppen zu. Immer wieder bleiben Gruppen stehen, wie die SPÖ-Ottakring: "Die Ottakringer Sozialisten wünschen ein dreifaches Freundschaft"

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Michael Stepan ist ein „Fan" von Michael Häupl, vor allem seine Politik in Wien hat in für den Herbst überzeugt: „Der Finsterling wird keine Chance haben", so Stepan. Unsicherer Nachsatz: "Hoffe ich"

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Die FPÖ ist heute übrigens das Hauptthema der Reden. Der Wahlausgang der Bundespräsidentenwahl ist für Bürgermeister Michael Häupl auch eine Niederlage von Strache. Häupl prophezeit für die Wienwahl: "Es wird nicht seine letzte Niederlage sein". Kritik übt Häupl auch an der Reaktion der ÖVP zum Wahlausgang der Bundespräsidentenwahl, diese sei "schäbig" gewesen.

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Am Ende der Feier werden die Internationale und das Lied der Arbeit gesungen. Chöre haben in den Arkaden des Rathauses Platz genommen. Im Karaoke-Stil werden auch etwas textunsichere GenossInnen auch durch die letzten Strophen geführt.

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Viele Kundgebungsteilnehmer haben sich da aber schon in den "Mercato" Rosso zurückgezogen, zum gemütlichen Teil des Tages. (seb, derStandard.at, 1.5.2010)

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