Prästernales Keloid vor der lokalen Injektionsbehandlung.

Foto: Landeskliniken Salzburg/Dermatochirurgische Einheit
Foto: Landeskliniken Salzburg/Dermatochirurgische Einheit

Narbe nach Abschluss der intraläsionalen Steroidbehandlung.

Foto: Landeskliniken Salzburg/Dermatochirurgische Einheit

Gewollt oder ungewollt - Vielleicht liegt das ambivalente Verhältnis zu Narben in diesem Antagonismus. Von Naturvölkern stolz zur Schau getragen, findet das bewusste Einbringen von Ziernarben in die Haut durch Schneiden (Cutting) oder Brennen (Branding) auch im westlichen Kulturkreis seine Anhänger. Nach vorangegangenen Operationen oder Verletzungen werden die bleibenden Spuren dagegen weniger als Körperschmuck, denn als hässlicher Makel interpretiert.

Der Wunsch nach unsichtbaren Narben ist oft evident, jedoch eigentlich Fiktion. „Eine Resitutio ad integrum gibt es nur in der embryonalen Phase im Mutterleib. Für das gesamte restliche Leben gilt die Defektheilung", weiß Josef Koller, Dermatologe an der Hautklinik der Landeskliniken Salzburg und hat die narbenlose Operation deshalb nicht in seinem Repertoire.

Jedoch ist Koller stets um das Resultat einer „schönen" Narbe bemüht und kann sie bei guter Wundheilung im Regelfall auch garantieren. Als Leiter der dermatochirurgischen Einheit weiß er wo und wie er die Haut mit dem Skalpell durchtrennt und auf welche Weise er die iatrogene Wunde wieder verschließt.

Schnittführung und Nahttechnik

Das Wo und Wie erklärt sich zum Teil in der Schnittführung: Chirurgen inzidieren die Haut unter Beachtung der natürlichen Hautspannungslinien. Diese so genannten Langer'schen Spaltlinien markieren die Richtung der Dehnbarkeit der Haut. Verläuft ein gesetzter Schnitt entsprechend dem Spaltlinienverlauf, dann klaffen die Wunden im Anschluss weniger auseinander, als quer dazu verlaufende.

„Wir nähen fast ausschließlich intrakutan", erklärt Koller wie er operative Eingriffe erfolgreich beendet. Dazu muss man wissen, dass die Zugfestigkeit der Haut in erster Linie in der Lederhaut (Dermis) erfolgt und egal nach welcher Art von Verletzung diese erst nach sechs bis acht Monaten wieder zur Höchstform zurückfindet. Näht der Dermatochirurg die Haut in der Epidermis - der Schicht über der Lederhaut - dann hält die Haut der Belastung nach Entfernung der Nähte nicht Stand. Das Resultat ist eine sogenannte atrophe Narbe: „Durch die Zugspannung der Haut driften die Wundränder auseinander und es entsteht das typische seidenpapierartige Bild einer Dehiszenz", ergänzt der Salzburger Experte.

Vererbung und Prädilektionsstelle

Auch unter Beachtung sämtlicher Faktoren, ist das Ergebnis langfristig manchmal enttäuschend. „Es gibt Menschen, die neigen einfach genetisch bedingt zur Bildung hypertropher Narben und Keloiden", weiß Koller. Eine gesteigerte autonome Kollagenbildung der Fibroblasten im Anschluss an die übliche Wundheilung steckt hinter dem überschießenden Ergebnis. Traurige Tatsache: „An bestimmten Körperstellen ist fast jeder Eingriff mit einem Keloid verbunden", betont der Chirurg und betrachtet es als Fahrlässigkeit medizinisch nicht indizierte Hautschnitte im Brust- oder Schulterbereich vorzunehmen.

Droht eine Narbe zu wuchern, dann ist dem Betroffenen mit der lokalen Anwendung von Keloid-, Kortison- oder Silikonsalben leider nicht wirklich gedient. „Es gibt keine Evidenz für diese Maßnahmen. Ebenso wenig erfolgreich ist der Einsatz abtragender (ablativer) Laser". An der Salzburger Hautklinik findet daher bei Patienten mit beginnenden, wie bestehenden hypertrophen Narben und Keloiden eine Kombination aus Kompression und intraläsionaler Kortisoninjektionen ihre Anwendung. Die Kompression zeigt vor allem bei tiefen zweitgradigen Verbrennungen gute Erfolge. Entscheidend dabei ist, dass die Patienten den Druckverband 24 Stunden täglich tragen.

Kortison unter Druck

Dem Kortison wird, wie so oft, auch im Fall der Narbenbehandlung „böses" unterstellt. Zu Unrecht weiß Koller: „Korrekterweise muss Kortison unter Druck in die Narbe injiziert werden". Wer entgegen dieser Vorgehensweise das Steroid dem geringsten Widerstand folgend in die Unterhaut spritzt, der darf mit folgendem Ergebnis rechnen: Die hypertrophe Narbe bleibt bestehen, liegt von nun ab jedoch unter dem Hautniveau, weil das Fett darunter durch das Kortison zum Verschwinden gebracht wurde.

Der Schritt zum nächsten Schnitt, sprich die chirurgische Entfernung einer hypertrophen Narbe ist zumeist keine Frage der Ästhetik. „Ist der Patient durch seine Narbe funktionell beeinträchtigt, dann müssen die Zugkräfte chirurgisch unterbrochen werden", erklärt Koller. Bei atrophen Narben ist die funktionelle Einschränkung nicht das Problem. Bei hypertrophen Narben und Keloiden, vor allem nach Verbrennungen, dagegen oft.

Doch auch dem Bedürfnis nach Schönheit wird manchmal Folge geleistet. Mit Einschränkungen allerdings: „Die Narbe wird niemals zur Gänze entfernt, da das Risiko eines Rezidivs viel zu hoch ist", konstatiert Koller. So wird nach Ausschöpfung sämtlicher konservativer Maßnahmen, die Narbe von Experten intramarginal exzidiert. Das bedeutet: Das gesunde Gewebe wird mit dem Skalpell nicht berührt, ein Narbenrand von etwa zwei Millimetern bleibt beidseits bestehen.

Störfelder im natürlichen Kreislauf

Chirurgen geht es um Ästhetik und Funktion, Neuraltherapeuten sehen bei Betrachtung von Narben noch einen dritten Aspekt. „Narben sind Störfelder im natürlichen Regulationskreislauf", erklärt die Neuraltherapeutin und physikalische Medizinerin Ursula Bankl-Fischer. Lokale Beschwerden im Narbengewebe oder Gelenksschmerzen fernab einer Narbe, führt die Expertin unter anderem auf solche Blockaden zurück und beseitigt sie, indem sie die störenden Narben mit einem Lokalanästhetikum unterspritzt. „Manchmal kommt es dabei zu einem Sekundenphänomen. Das heißt der Patient verliert seine Gelenksbeschwerden im Bruchteil einer Sekunde", so Fischer. Im Durchschnitt wiederholt sie diese Behandlung fünfmal. Schmerzen an entfernten Körperregionen therapiert sie nach physikalisch medizinischem Wissen separat.

Die Neuraltherapie aktiviert die Selbstheilungskräfte im menschlichen Organismus und das laut Bankl-Fischer sehr erfolgreich. Koller steht der Methode eher skeptisch, jedoch nicht grundsätzlich ablehnend, gegenüber: „Vom Erfolg einer Narbenbehandlung durch Neuraltherapie wird in Einzelfällen berichtet, allerdings fehlt dafür jegliche Evidenz". (derStandard.at, 05.2010)