"Wenn man verschiedener Meinung ist, dann sagt man das auch", stellte Kanzler Faymann (re.) nach dem Ministerrat klar. Sein Vize Pröll revanchierte sich mit einem neuen Populismus-Vorwurf.

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Wien - Seit der Burgenland-Wahl richten Rot und Schwarz einander eine Unfreundlichkeit nach der anderen aus - am Dienstag, rund um den Ministerrat, setzten sich dann die Koalitionsscharmützel eben von Angesicht zu Angesicht fort: Weil Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) dem Verteidigungsminister, der am Assistenzeinsatz an der Ostgrenze festhält, Planlosigkeit beim Bundesheer vorgehalten hat, empörte sich Norbert Darabos (SPÖ), dass Prölls Zurufe "unnötig wie ein Kropf" seien. Dazu qualifizierte er Prölls Kritik als "kleinen politischen Amoklauf".

Zur Vorgeschichte: Seit Sonntag halten die Bürgerlichen den Sozialdemokraten vor, im Burgenland-Wahlkampf zum Thema Sicherheit einen populistischen Kurs gefahren zu haben. Weil die Genossen trotz alledem bis zur Auszählung der Wahlkarten heute, Mittwoch, um ihre absolute Mehrheit und ein 19. Mandat im Landtag zittern mussten, hatte Pröll erklärt, die SPÖ sei in Pannonien "an die Wand gefahren" . Kanzler Werner Faymanns Replik: "Verfehlte Tonlage", und: Dies sei eine "Beleidigung nahezu jeden zweiten Wählers im Burgenland".

Nach dem Ministerrat erklärte der SPÖ-Chef lächelnd zur Stimmungslage in der Koalition: Wenn man verschiedener Meinung sei, dann sage man das halt auch. Pröll wiederum bekräftigte seinen Populismus-Vorwurf gegenüber den Roten im Burgenland und meinte, die Schwarzen hätten hingegen ihre Ziele erreicht - obwohl die Volkspartei mit rund 34 Prozent sogar ihr schlechtestes Ergebnis seit 1945 eingefahren hat.

Bei den Themen Mindestsicherung und Transparenzdatenbank demonstrierten der Kanzler und sein Vize dann ziemlich eindrucksvoll, wo sie unterschiedlicher Meinung sind. Während Faymann die von der SPÖ begehrte Mindestsicherung als "Teil der Armutsbekämpfung" bezeichnete, die "kein Spielball" sei, betonte Pröll gleich mehrmals, diese sei "umstritten" . "Ein reiches Land zeigt sich auch daran, wie es mit den Schwächsten umgeht", dozierte der Kanzler wiederum, zur von der ÖVP-geforderten Transparenzdatenbank erklärte er, dass "der Scheinwerfer" zwar auf das Förderwesen gerichtet werden solle, aber "sicher keine Neiddebatte" ausgetragen werde. Pröll erklärte daraufhin unbeirrt, dass es mithilfe der neuen Datenbank gelte, "Missbrauch zu verhindern".

Fazit: Trotz des unterschiedlichen Wordings soll dazu noch im Juni eine Punktation von der Koalition abgefasst werden. Hintergrund: Ausgangspunkt für die Reibereien ist die Drohung der ÖVP, die Mindestsicherung zu blockieren, sollte es keine Transparenzdatenbank geben.

Erpressungsversuch

Am Rande des Ministerrats will SPÖ-Staatssekretär Andreas Schieder dazu jedenfalls festgestellt haben, dass die Volkspartei bei der Mindestsicherung einen Erpressungsversuch gestartet habe, und meinte dazu: "Das lassen wir uns nicht gefallen!"

Immerhin: Zumindest zu den Auswirkungen der Krise konnte die Regierungsspitze am Dienstag Positives vermelden. Finanzminister Pröll gab bekannt, dass "der Grund und Boden" erreicht sei und es "positive Signale" gäbe, denn: Das angepeilte Defizit von 4,7 Prozent der Wirtschaftsleistung werde erfüllbar sein. Die Ausgaben bis April hätten rund 2,6 Milliarden weniger als im Vorjahr betragen, dies liege vor allem daran, dass die Banken heuer noch kein Partizipationskapital abgeholt hätten. Und Faymann verlautbarte, dass das Land mit einer Arbeitslosenquote von 4,9 Prozent eine der niedrigsten in Europa habe. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 2.5.2010)