Wien/Bratislava - Bis vor kurzem schien klar, dass der links-nationale slowakische Premier Robert Fico bei den Parlamentswahlen am 12. Juni vom Konflikt mit Budapest über das neue ungarische Doppelstaatsbürgerschafts-Gesetz profitieren würde.

Der überraschende Ausgang der tschechischen Parlamentswahlen bringt aber Bewegung in das Wahlkampffinale. Die erst im Vorjahr gegründete neoliberale Partei "Freiheit und Solidarität" (SaS) steht ideologisch der tschechischen Top 09 von Karl Schwarzenberg nahe, die mit 16,7 Prozent der Stimmen drittstärkste Kraft im neuen Parlament in Prag wurde. Gründer und Chef von SaS ist Richard Sulik. Er war Berater zweier slowakischer Finanzminister und hat mit seiner Diplomarbeit die Einführung der "Flat Tax" (19 Prozent Einkommensteuer) inspiriert, die auch von der Regierung Fico beibehalten wurde.

SaS tritt ähnlich wie Top 09 gegen ein verfilztes und korruptes politisches Establishment auf, macht keinerlei Versprechungen und propagiert stattdessen harte Budgetdisziplin und radikale Reformen, etwa Schulgelder schon in den Grundschulen. Mit ihrer Anti-Establishment-Botschaft spreche die Partei vor allem junge Menschen an, sagte der Politologe Juraj Marušiak von der Slowakischen Akademie der Wissenschaften am Dienstag bei einer Diskussion in Wien. Damit sei SaS eine Herausforderung sowohl für Ficos Partei Smer (Richtung) als auch für die konservative Ex-Regierungspartei SDKU. Umfragen geben Sulik bis zu zehn Prozent.

Die "ungarische Frage" könne dennoch wahlentscheidend sein, meinte Marušiaks Kollege Grigorij Mesežnikov, Chef des Institute for Public Affairs in Bratislava. Fico versuche mit diesem Thema die Wähler zu mobilisieren, eine höhere Wahlbeteiligung nütze erfahrungsgemäß seiner Partei.

Letztlich könnte Fico auch von der Uneinigkeit der Opposition profitieren. Die Ungarn-Partei SMK hat sich gespalten. "Most-Hid" (Brücke) unter Ex-SMK-Chef Béla Bugár tritt für Verständigung zwischen den Volksgruppen ein und empfiehlt den rund 500.000 slowakischen Ungarn, nicht die ungarische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Falls "Most-Hid" an der Fünfprozent-Hürde scheitert, ist eine bürgerliche Mehrheit sehr unwahrscheinlich. (Josef Kirchengast, DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.6.2010)