Kabul/Neu-Delhi - Er hat es das wichtigste Ziel seiner zweiten Amtszeit genannt: die Aussöhnung mit den Taliban. Nun hat Afghanistans Präsident Hamid Karsai zu einer "Friedensjirga" geladen: Rund 1600 Delegierte sollen von Mittwoch an in Kabul beraten, wie man nach bald neun Jahren Krieg Frieden mit den Rebellen schließen kann. 36 Seiten umfasst Karsais Aussöhnungsplan, den manche als "Goldenen Handschlag" verspotten: Einfachen Fußsoldaten will er Straffreiheit, Jobs und Geld zusichern, wenn sie die Waffen niederlegen. Ihren Führern soll der Weg ins Exil eröffnet werden. Dafür müssten sie allerdings von den Terrorlisten der USA und Uno gestrichen werden.

Noch vor wenigen Jahren hätten diese Töne einen Aufschrei provoziert. Heute weiß sich auch die internationale Gemeinschaft kaum noch einen anderen Rat. Der Westen verzweifelt an den Taliban, die er einfach nicht in den Griff bekommt. Alle wollen so schnell wie möglich raus. Aber die USA und ihre Verbündeten können es sich kaum leisten, nach tausenden Toten und Milliarden Dollar als blamierte Verlierer abzuziehen.

Eine "Show-Jirga"

Während die Nato mit mehr Truppen den Druck auf die Rebellen erhöht, streckt Karsai ihnen also die Hand entgegen. Einen großen Durchbruch wird das große Palaver in Kabul aber kaum bringen - schon deshalb nicht, weil die Gegenspieler fehlen. Karsai hatte gehofft, auch Taliban-Abgesandte ins riesige Tagungszelt zu holen. Doch Pakistan machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Im Februar zog es - wahrscheinlich mit Segen der USA - Taliban-Vize Mullah Baradar aus dem Verkehr, offenbar, weil dieser im Alleingang bereits Gespräche mit Karsai und der Uno führte. Die USA und Pakistan aber wollen bei Friedensgesprächen mit der Taliban-Spitze das Sagen behalten.

Baradars Festnahme sei ein Rückschlag für Karsai gewesen, sagt die Kabuler Konfliktforscherin Mariam Safi und fügt hinzu: "Bis zum Frieden ist es noch ein langer Weg." Sie bezweifelt, dass sich die Masse der Fußsoldaten mit Geld ködern lässt. Ein vom Westen gespeister Fonds reiche aus, jedem der 30.000 Kämpfer über fünf Jahre 3000 Dollar jährlich zu zahlen. Aber: "Die Taliban lassen sich nicht kaufen." Auch der Jusprofessor Wadir Safi erwartet sich wenig von der Jirga. "Gespräche mit den Taliban sind notwendig" , meint er. Aber ohne die Rebellen bleibe das Treffen eine "Show-Jirga" . (Christine Möllhoff, DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.6.2010)