Rostow am Don/Moskau - Die Menschen in der Europäischen Union und Russland müssen weiter auf freies Reisen ohne Visum warten. Kremlchef Dmitri Medwedew blitzte bei dem EU-Russland-Gipfel am Dienstag in Rostow am Don mit seinem Vorstoß ab, die Visumspflicht zu kippen. Zwar waren sich Medwedew und die EU-Spitze um den Ratspräsidenten Herman Van Rompuy einig, dass für die neue Partnerschaft auch engere Kontakte der Menschen nötig seien. Das Ende der Reisebeschränkungen sei aber eher ein "langfristiges Ziel", sagte Van Rompuy. Zugleich betonte er, dass die EU Medwedews Pläne für eine Erneuerung Russlands voll unterstütze.

"Wir wollen Russlands Partner bei der Modernisierung sein", sagte Van Rompuy. Medwedews Vorhaben, demokratische Werte einer Bürgergesellschaft zu schaffen und eine nicht allein von Rohstoffen wie Öl und Gas abhängige Wirtschaft aufzubauen, sei eine "bedeutende Entwicklung für Russland". Ein bei dem zweitägigen Gipfeltreffen gemeinsam vorgestelltes Papier sieht nun eine Zusammenarbeit etwa bei technologischen Innovationen und der Korruptionsbekämpfung vor. Ziel ist es, die russische Wirtschaft zu diversifizieren und technologische Rückstände aufzuholen.Van Rompuy betonte aber auch, dass die EU die fortdauernden Menschenrechtsverletzungen im Konfliktgebiet Nordkaukasus sowie die Morde an Journalisten und Bürgerrechtlern mit "großer Sorge" sehe.

Präsident enttäuscht

Der russische Präsident zeigte sich sichtlich enttäuscht darüber, dass es in der Reisefrage keinen Fortschritt gibt. "Das würde das Leben von Millionen von Menschen vereinfachen", sagte Medwedew. Er übergab der EU-Spitze einen Vertragsentwurf über Visafreiheit, um die Arbeit an diesem Reizthema im Westen zu beschleunigen. "Wir dürfen diese Frage nicht politisieren", warnte der Kremlchef. In einigen der 27 EU-Länder sei das Misstrauen gegenüber Russland aufgrund des Kalten Krieges und der sowjetischen Geschichte weiter groß.

Von einem "produktiven" Treffen sprach EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zum Abschluss des zweitägigen Gipfels in der südrussischen Stadt. Greifbare Ergebnisse gab es bei dieser 25. Zusammenkunft aber nicht. Nach Darstellung von Barroso einigten sich die EU und Russland darauf, ihre im vergangenen November vereinbarte "Partnerschaft für Modernisierung" mit Leben zu füllen. Dabei setzt vor allem Russland auf Experten, Investitionen und Technologien aus der EU, um zu einem modernen Staat zu werden.

Einig waren sich beide Seiten darüber, dass Russland möglichst rasch der Welthandelsorganisation WTO beitreten müsse. Dies sei nötig, damit das größte Land der Erde attraktiver für Investoren und für den Weltmarkt werde. Die Gipfelteilnehmer verurteilten auch den israelischen Angriff auf die Gaza-"Solidaritätsflotte". Sie bekräftigen ihr Ziel, im Atomstreit mit dem Iran zu einer Lösung zu kommen. Van Rompuy lobte Russland als "strategischen Partner" in einer Reihe internationaler Fragen vom Kampf gegen die Piraten bis zur Energiesicherheit. "Mit Russland brauchen wir keinen Neustart, wir brauchen ein schnelles vorwärts", sagte Van Rompuy. (APA/dpa/AFP)