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Brigitte Ruprecht ist seit einem Jahr Vorsitzende der ÖGB-Frauen und auch Vorstandsmitglied des ÖGB.

Foto: APA/Helmut Fohringer

"Fraueninteressen" haben nur dann eine Chance zu Interessen der gesamten Gewerkschaft zu werden, wenn sie von Gewerkschafterinnen der Frauenstruktur eingebracht werden. Voraussetzung dafür ist, dass die frauenspezifischen Interessen der weiblichen Mitglieder von den Gewerkschafterinnen überhaupt wahrgenommen werden. Seit etwas mehr als einem Jahr ist Brigitte Ruprecht die Vorsitzende der ÖGB-Frauen und Mitglied im ÖGB-Vorstand. Die gewerkschaftlich organisierten Frauen werden von ihr vertreten. Sandra Ernst-Kaiser hat mit ihr unter anderem über Lohngerechtigkeit, den ÖGB als Männerbund, "Tarzan und Jane", Lippenbekenntnisse und Gender-Mainstreaming gesprochen.

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dieStandard.at: Lohngerechtigkeit fordern die ÖGB-Frauen schon seit 1945. Der ÖGB nimmt die Forderungen der Frauenabteilung immer erst sehr viel später in das gesamte Arbeitsprogramm des ÖGB auf. Diese Forderungen, das zeigt die Arbeitswirklichkeit von Frauen, bleiben ungehört. Welche Alternativen gibt es also zu den ewigen Lippenbekenntnissen?

Brigitte Ruprecht: Unser Handlungsspielraum ist immer wieder auf unsere Forderungen aufmerksam zu machen und immer wieder auch Grundlagenarbeit zu leisten. Dass wir ungehört sind, glaube ich nicht, also zumindest mit unserer Forderung 1.300 Euro brutto in Kollektivverträgen. Ich habe von den einzelnen Kollektivvertragspartnern der Gewerkschaft die Zusage, dass an unserer Forderung jetzt intensiv gearbeitet wird.

dieStandard.at: Dennoch hat sich die Lohnschere in den vergangenen Jahren eher geöffnet denn geschlossen.

Ruprecht: Sie geht momentan nicht auseinander. Wir haben schon das Datum für den heurigen "Equal Pay Day". Heuer ist es der 29. September. Das heißt, Frauen arbeiten heuer nur 94 Tage gratis - im letzten Jahr waren es 96 Tage. Die Einkommenstransparenz zum Beispiel, das ist auch eine Forderung von uns.

dieStandard.at: Sie meinen den Vorstoß von Gabriele Heinisch-Hosek mit der Transparenz für Betriebe ab einer Größe von 150 MitarbeiterInnen?

Ruprecht: Ja.

dieStandard.at: Warum gilt diese aber nur für Großbetriebe? Ist das Willkür?

Ruprecht: Unsere Forderung war ursprünglich die Transparenz ab einer MitarbeiterInnen-Anzahl von 25. Die Industriellenvereinigung war natürlich gegen eine Transparenz. Unsere Forderung ging ja noch viel weiter. Das ist jetzt, sage ich einmal, ein Kompromiss. Das wird stufenweise erfolgen und ab dem Jahr 2014 müssen Betriebe ab 150 MitarbeiterInnen ihre Gehälter offenlegen.

dieStandard.at: Wie sinnvoll ist so eine Maßnahme ohne Sanktionen?

Ruprecht: Ich bin überzeugt davon, dass sich die Betriebe nicht so einfach rausschummeln können. Kein Betrieb will ein negatives Image haben und wenn das jemand nicht offenlegt, hat er anscheinend etwas zu verbergen. So zahnlos ist das nicht. Wir werden auch die BetriebsrätInnen auf ihre Rechte aufmerksam machen. Wenn da etwas auftaucht wird das schnellstens behoben. Wir werden immer wieder unsere Finger in die Wunde drücken.

dieStandard.at: Sie haben das Schlagwort der Sozialpartnerschaft schon ausgesprochen: Kompromiss. Ist es für die Gewerkschaft nicht längst an der Zeit andere Strategien zu entwickeln?

Ruprecht: Also gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen sind immer das letzte Mittel, das wir in Österreich anwenden. Unsere Strategie ist immer am Runden Tisch eine Einigung zu erzielen. Ohne die Einigung der Sozialpartnerschaft ist auf Gesetzesebene gar nichts möglich. So suchen wir nach Lösungen, mit der beide leben können. Das ist das Beste. Man muss den Finger in die Wunde drücken und immer wieder auf Probleme aufmerksam machen und immer wieder reden und diskutieren - manchmal netter und manchmal nicht mehr so nett.

dieStandard.at: Der ÖGB verharrt in alten, festgefahrenen und männerbündlerischen Strukturen - die Dominanz der Männer gehört da dazu. Wie gehen Sie damit um?

Ruprecht: Der ÖGB ist nicht unbedingt ein Männerverein. Der ÖGB ist eine freiwillige Interessensvertretung. Wir versuchen alle Gruppierungen so gut wie möglich zu repräsentieren und für unsere Mitglieder das Bestmögliche zu erreichen. Ein Drittel der Gewerkschaftsmitglieder sind Frauen. Durch die Quotenregelung haben wir es auch intern geschafft, dass Frauen repräsentiert werden. Das heißt nicht, dass das jetzt eine Obergrenze ist, sondern das ist eine Untergrenze. Wir sind auf einem sehr guten Weg und wir kämpfen und arbeiten für die Rechte der ArbeitnehmerInnen - das ist unser Hauptziel.

dieStandard.at: Wie versuchen Sie den Organisationsgrad von Frauen in der Gewerkschaft zu erhöhen?

Ruprecht: Wir haben immer wieder unsere Mitglieder-Werbeaktionen. Ob das jetzt in den Gewerkschaften ist oder ob man als ÖGB-Gesamt Aktionen macht. Immer wieder gehen wir auch in die Betriebe, machen Straßenaktionen und Kampagnen.

dieStandard.at: Als Gesamtorganisation verschreibt sich der ÖGB dem sogenannten Gender-Mainstreaming. Auf der Homepage bin ich auf ein ÖGB-Papier gestoßen, das den Titel "Tarzan und Jane" trägt. Das Titelbild zeigt eine fast nackte Frau mit Pfeil und Bogen. Wie stehen Sie zu solchen Gender-Mainstreaming Papieren?

Ruprecht: Tarzan und Jane?

dieStandard.at: Ja, ein Leitfaden zur gendergerechten Sprache.

Ruprecht: Selbstverständlich gibt es auch bei uns Fehler, aber überhaupt, das mit der Werbung und der künstlerischen Freiheit, da bin ich natürlich auch immer zweigeteilt.

dieStandard.at: Abgesehen davon hat man als Außenstehende bei Organisationen wie dem ÖGB das Gefühl, dass Gender-Mainstreaming einer Umweltverträglichkeitsprüfung gleich kommt, mit dem Ziel, eine neue Partnerschaft mit der frauenpolitischen Basis einzugehen oder diese einzukaufen, um die Interessen von Frauen weiterhin zu unterminieren.

Ruprecht: Nein, also ich fühle mich überhaupt nicht eingeschränkt. Ganz im Gegenteil. Ich bin auch Mitglied im Vorstand und wir diskutieren dort auch immer sehr offen. Ich sehe mich als Teil des Ganzen. Selbstverständlich müssen wir Grundlagenarbeit innerhalb des ÖGB leisten. Aber andererseits können wir auch unserer Expertise anbieten.

dieStandard.at: Also Sie als Aufklärerin im Männerbund ÖGB?

Ruprecht: Selbstverständlich, denn wenn ich nicht jeden Tag mit einem bestimmten Thema konfrontiert bin, dann habe ich natürlich nicht den Blickwinkel für bestimmte Dinge. Das sehe ich als unsere Stärke. So betrachte ich es. Unterschiedliche Bereiche kommen zusammen und berichten von ihrer Arbeitswelt.

dieStandard.at: Gerade aber in Verhandlungspositionen - etwa bei den Kollektivvertragsverhandlungen - sind Frauen unterrepräsentiert. Was daraus folgt, kann man an den Arbeitsverhältnissen von Frauen ablesen.

Ruprecht: Ich kann nicht bei allen Verhandlungen dabei sein. Wir haben da aber gerade ein Projekt gestartet, wo wir Kollektivverträge auf mögliche Diskriminierungen überprüfen. Da gibt es eine Arbeitsgruppe dazu. Kollektivvertragsverhandler werden geschult, um Fraueninteressen mitzuverhandeln.

(Sandra Ernst-Kaiser, dieStandard.at, 1.07.2010)