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WM-Halbfinale 1998, Elferschießen: Hollands Ronald de Boer vergibt seine alles entscheidende Chance, Brasiliens Taffarel schafft den Finaleinzug. Dort aber wird Frankreich Weltmeister.

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Der fünffache Weltmeister will sich von den Niederlanden nicht vom "Hexa"-Kurs abbringen lassen.

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Doch auch Dirk Kuyt und Nigel de Jong haben das Halbfinale im Blick.

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Kapstadt - Natürlich ist Johan Cruyff, der Niederlande Allzeitbester, nicht wirklich neutral. Dennoch darf man in dem, womit Cruyff die Brasilianer aufganserln wollte, einen Funken Wahrheit konstatieren. "Das Spiel der Brasilianer" , schimpfte also Cruyff, der von 1988 bis 1996 Barcelona zu Barcelona gemacht hat, "ist eine Schande für die Fans und das Turnier. Normalerweise verfügt Brasilien über eine Mannschaft, die die Menschen gerne spielen sehen wollen. Jetzt aber habe ich kein Geld übrig für eine Eintrittskarte, um Brasilien spielen zu sehen."

Nun ja: Umgekehrt haben sich auch die Niederlande, die quasi auf den "Weltmeister der Herzen" abonniert waren, etwas angewöhnt, das man mit Cruyffs Brasilien-Schelte durchaus mitmeinen kann.

Das Spannende am ersten Viertelfinale der südafrikanischen WM wird also sein, wie die Brasilianer und Niederländer ihren bisher gepflegten pragmatischen Zugang zum Fußball diesmal, da es um die Wurst geht, zelebrieren werden. Es kann, hoffen viele, zu einem echten Schlager werden - oder das Gegenteil, wie auch nicht wenige fürchten.

Carlos Dunga - der brasilianische Teamchef, den sie daheim als Deutschen verspotten - schiebt dem europäischen Gegner klarerweise einmal die Favoritenrolle zu. "Das ist unser erstes Endspiel" , sagt Dunga, der 1994 und 1998 gegen Holland jeweils ins Halbfinale und dann ins Finale gekommen ist, "die Niederlande sind einer der schwersten Gegner. Von allen europäischen Teams sind die Holländer von der technischen Qualität her fast Südamerikaner."

Elano ist verletzt, Ramires gesperrt, Felipe Melo und Julio Baptista auch angeschlagen. Bei aller Wertschätzung der Zangler Kaká, Luis Fabiano und Robhino wird Dunga weiterhin auf die bislang beste Verteidigung des Turniers setzten oder setzen müssen. Juan, der gemeinsam mit dem früheren Bayern Lucio die Mitte zumachen soll, stellt sich jedenfalls auf harte Arbeit ein:"Lucio und ich, wir halten uns nicht für das beste Verteidigerpaar der Welt, wir müssen aufpassen."

Hollands Rekonvaleszenter, Arjen Robben, hat gegen die Slowakei gezeigt, warum. Aber Juan warnt sich vorsorglich selber:"Er ist ein großartiger Spieler, durchlebt gerade eine tolle Phase." Aber: "Holland hat vorn auch andere gefährliche Spieler."

Ballfütterer

Brasilien allerdings auch. Kaká, der physisch etwas schwächelte und dann im letzten Gruppenspiel gegen Portugal gesperrt war, will die Stürmer entsprechend forcieren. "Meine Funktion ist es, die Stürmer mit Bällen zu füttern, sodass Robinho und Luis Fabiano die Tore machen können. Zum Glück gelingt mir das auch. Ich werde versuchen, die Wertung für Pässe, die Tore bringen, anzuführen und die Daumen drücken, dass Luis Fabiano die Torjägerkrone gewinnt."

Bert van Marwijk, der niederländische Teamchef, nimmt solche Ansagen durchaus ernst, zumindest als Eventualität: "Eventuell sind wir zum ersten Mal in Südafrika Außenseiter. Wir sind selbstbewusst, aber die Brasilianer strotzen ebenfalls voller Selbstvertrauen. Es scheint ja oft fast so, als wären sie unbesiegbar."

Van Marwijks Aufgabe ist es, diesen Schein als solchen zu entlarven. Also beschwört er sich und die Seinen inbrünstig:"Wir sind nur aus dem Grund da, den Titel zu holen. Wir müssen daran glauben." Und in Richtung Johan Cruyff verspricht er:"Wir werden im Viertelfinale sicher mehr Risiko eingehen als in den bisherigen Partien."

Diesbezüglich kann er, anders als Dunga, auf alles zurückgreifen, was in den Niederlanden Rang und Namen hat. Auch der zuletzt angeschlagene Rafael van der Vaart wird im Kader stehen, allerdings wohl nicht von Beginn an zum Einsatz kommen. Das Offensivquartett Arjen Robben, Robin van Persie, Wesley Sneijder und Dirk Kuyt sind wohl gesetzt. "Ich bin froh, dass ich so eine Auswahl an Weltklasse-Fußballern habe" , sagt Van Marwijk. Und wer Hollands Kader überfliegt, wird wohl einwenden müssen:Was soll er sonst sagen?

Zumal den holländischen Kickern selber eine so breite Brust gewachsen zu sein scheint, dass der Trainer im Grunde zur Ordnung rufen müsste. Arjen Robben gibt - unbeeindruckt davon, dass man sich nie selber in die Favoritenrolle reden sollte - die Devise vor:"Wir wollen ins Finale. Also müssen wir auch gegen Brasilien gewinnen." Auch sein Ersatzmann, Eljero Elia, beim Achtelfinal-2:1 gegen die Slowakei für Robben in der 71. Minute gekommen ist, sieht sich auf einer halb schon gemähten Wiese: "Wir haben weder vor Brasilien noch vor einem anderen Gegner Angst. Wir gewinnen und kommen ins Endspiel."

Die Brasilianer halten sich an die alte Regel vom Herunterreden der eigenen Stärke. Breit wurde gestreut, wie sehr der von der Fifa angeordnete Umzug in ein neues Hotel die Vorbereitung störe. "Jetzt müssen wir die Hotels mit anderen Gästen teilen, da geht die totale Konzentration auf den Fußball verloren. Das gibt ein Durcheinander."

Brasiliens Mario Zagallo, der 78-jährige Weltmeister von 1958, 1962 und 1970, fährt dem Lamento Dungas aber in die Parade. "Wenn es für uns schon schwierig ist zu gewinnen, bin ich mir sicher, dass es für sie noch viel schwieriger sein wird." (sid, wei, DER STANDARD Printausgabe 02.07.2010)

 

Mögliche Aufstellungen:

Niederlande - Brasilien (Freitag, 16.00 Uhr, Port Elizabeth, Nelson-Mandela-Bay-Stadion, SR Yuichi Nishimura/Japan) - der Sieger trifft im Halbfinale auf den Aufsteiger von Uruguay - Ghana.

Niederlande: 1 Stekelenburg - 2 Van der Wiel, 3 Heitinga, 4 Mathijsen, 5 Van Bronckhorst - 6 Van Bommel, 8 De Jong - 11 Robben, 10 Sneijder, 7 Kuyt - 9 Van Persie

Ersatz: 16 Vorm, 22 Boschker - 12 Boulahrouz, 13 Ooijer, 14 De Zeeuw, 15 Brafheid, 17 Elia, 18 Schaars, 19 Babel, 20 Afellay, 21 Huntelaar, 23 Van der Vaart

Keine Ausfälle

Teamchef: Bert van Marwijk

Brasilien: 1 Cesar - 2 Maicon, 3 Lucio, 4 Juan, 6 Bastos - 8 Gilberto Silva, 17 Josue - 13 Dani Alves, 10 Kaka, 11 Robinho - 9 Luis Fabiano

Ersatz: 12 Gomes, 22 Doni - 5 Felipe Melo, 14 Luisao, 15 Thiago Silva, 16 Gilberto, 19 Baptista, 20 Kleberson, 21 Nilmar, 23 Grafite

Fraglich: 5 Felipe Melo (Knöchelverletzung)

Es fehlen: 7 Elano (Knochenödem am Schienbein), 18 Ramires (gesperrt)

Teamchef: Carlos Dunga