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Anna Chapman, angeblich Kopf des jüngst aufgeflogenen russischen Spionagenetzes in den USA, präsentierte sich auf Facebook auch mit Bild aus Russland.

Foto: AP

New York/Moskau - Amerika sucht die neue Mata Hari - und glaubt sie in einer Rothaarigen namens Anna Chapman gefunden zu haben. Die junge Frau soll der Kopf des vom FBI ausgehobenen mutmaßlichen russischen Spionagenetzes in den USA gewesen sein.

Chapman war in sozialen Netzwerken unterwegs und stellte über 90 Fotos von sich ins Netz: vor der Freiheitsstatue, in Moskau, in Schuluniform, in himmelblauer Spitzenkorsage mit Schmollmund und Schlafzimmerblick. Den Medien galt sie sogleich als Femme Fatale. Die 28-Jährige, die nahe der New Yorker Börse wohnte, präsentierte sich im Netz als Maklerin und Vermittlerin von Investitionen, die "innovative High-Tech-Startups" ins Geschäft bringen wolle. Ein Bekannter, ein Immobilienmakler, schildert sie als "nett, sehr professionell, freundlich" .

Zehn Verdächtigen wird Verabredung zur Agententätigkeit für eine fremde Macht vorgeworfen, einigen zudem Geldwäsche. Ein elfter, der auf Zypern gefasst und gegen Kaution frei gelassen wurde, soll ihnen über Jahre hinweg Geld übergeben haben - Donnerstagabend erschien der 55-Jährige nicht mehr wie vorgeschrieben bei der zypriotischen Polizei.

Seit wann die Aktion lief und was für Information den Agentenführern geliefert wurde gibt die Anklage nicht preis. Einer der Verdächtigen verkehrte mit Akademikern und Unternehmern, die sein Interesse an Zukunftstechnologie teilten. Ein anderer spricht fünf Sprachen, besuchte Botschaftsempfänge und hegte eine Leidenschaft für internationale Politik. Geheimdienstexperten glauben, einen langfristigen Plan Moskaus zu erkennen: Unter Decknamen im gutbürgerlichen Milieu angesiedelt, sollten sich die "Illegalen" an Kontaktpersonen heranarbeiten und Informationen abschöpfen. "Das ist eine langfristige Investition, diese Personen dorthin zu führen, und zu schauen, was sie heranschaffen können" , erklärt der Spionageabwehrexperte John Slattery. (apn/DER STANDARD, Printausgabe, 1.7.2010)