Woher wir kommen, wohin wir gehen: Die kompakte Isetta, BMWs erster Nachkriegserfolg, steht irgendwie Pate fürs Megacity Vehicle, dessen erste Skizze hier zu sehen ist. Technisch leistet der Mini E Vorarbeit.

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Nächster Schritt zur E-Mobilität: Concept ActiveE auf 1er-Basis. Das Schnittbild zeigt das revolutionäre Package im Antriebsstrang.

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Es gibt BMW. Es gibt Rolls-Royce. Mini. Und bald gibt es - ja was nun? BEW, Bayerische Elektroauto-Werke? Wüssten wir's, wir würden es Ihnen anstandslos verraten. Allein, BMW hat's uns noch nicht gesteckt und weiß es vielleicht selbst noch nicht so wirklich. Ist ja noch ein bisserl Zeit hin bis 2013, wenn dieses Fahrzeug mit dem ergreifenden niederbayerischen Projektnamen Megacity Vehicle als erster Sendbote der neuen, dann vierten Automarke im BMW-Imperium starten wird.

So viel jedenfalls konnten wir bereits in Erfahrung bringen: Die Bayern empfehlen zur Lektüre Schiller, Friederich, und seinen Geisterseher - und empfehlen sich selbst, wie die meisten anderen Autobauer auch, als Zeitgeisterseher. Der Zeitgeist, der verlangt die bedingungslose Teilnahme am Elektroauto-Hype, und wie dies bei BMW sich gestalten wird, nimmt immer konkretere Formen an, wie wir soeben in Erfahrung bringen konnten im Geheimlabor der Zeitgeisterseher. Ausgangsbasis ist die no na Überlegung, dass es auch in Zukunft noch individuelle Mobilität geben wird/soll, dass die sich aber immer mehr in immer mehr Megacitys abspielen wird, seit 2007 leben schließlich über die Hälfte der knapp sieben Milliarden Menschen dieser besten aller möglichen Welten (BMW-Literaturtipp: Leibniz, Gottfried Wilhelm: Theodizee) in Städten.

3,5 Milliarden potenzielle Kunden also für die Bayerischen Megacity Vehicles und den avisierten „regenerativen Fahrspaß". Damit nämlich die Städte nicht verstinken, sollen sie elektrisch rollen. Und, jedenfalls im ersten Anlauf, superkompakt sein, das verriet die von BMW-Designchef Adrian van Hooydonk eloquent vorgestellte erste Projektskizze. Nicht umsonst stand bei Hooydonks Präsentation im BMW-Museum die legendäre Isetta der 1950er-Jahre gleich daneben, bereit zum konzeptuellen Gentransfer oder so. Antriebs- und speichertechnisch zeigt sich schon, wohin die Reise geht: In einem ersten Schuss hatte BMW 2009 den Mini E in den Feldversuch geschickt, in London, Berlin, München, USA wurden Erfahrungen gesammelt, Erkenntnisse gewonnen. Zweite Stufe ist jetzt der BMW Concept ActiveE, der vier Sitze hat, einen echten Kofferraum und bereits andeutet, wie dramatisch sich das Paket Motor/Antriebsstrang beim Elektroauto ändern wird.

Runter mit den Kilos

Und weil die Faustregel lautet: 1 kg Speicher für 1 km Mobilität, gleichzeitig die e-mobile Mindestreichweite für die Münchener "jedenfalls über 100 Meilen" (jenseits 160 km) liegen muss, demzufolge allein die Lithium-Ionen-Batterie 16 kg aufwärts wöge, lautet das Hauptziel: Runter mit dem Gewicht, wo's nur geht. Chefauftrag an die Ingenieure: Kundera, Milan, lesen (Die Unerträgliche Leichtigkeit des Seins) - und das Mehrgewicht der Batterie durch deutlich leichtere Karosserie und Komponenten amortisieren.

Hier kommt denn auch schon die nächste BMW-Literaturempfehlung. Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Bei welchem CFK-Weber nämlich lassen Sie künftig Ihr Auto weben? Der sauteure kohlefaserverstärkte Kunststoff ist für BMW die Lösung der Probleme. 30 Prozent leichter als Alu, 50 als Stahl, noch dazu wird weniger Werkstoff benötigt als bei den Metallurgen, das Zeug korrodiert kaum und verspricht höchste Crashsicherheit. Erfahrung hat man längst mit dem Werkstoff, den M3 etwa krönt ein CFK-Dach. Nun geht's, erstmals in der Autoindustrie, in die echte Großserie, wodurch CFK auch gleich "um Dimensionen" günstiger wird als im bisherigen Manufakturbetrieb.

Einen Quantensprung gibt's auch beim Zeitaufwand. Dazu wurde ein Joint Venture mit SGL gegründet: Der Werkstoff entsteht in einem Karbonfaserwerk in den USA, das BMW-Werk Landshut fertigt dann die CFK-Karossen. Für 150 Megacity Vehicles täglich. Standard-Literaturtipp für BMW: Grimm, Jacob & Wilhelm: Deutsches Wörterbuch. (Andreas Stockinger/DER STANDARD/Automobil/02.07.2010)