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Wien - Ein Knirps wirft sich in Gangsterpose. Vor Gleichaltrigen zieht er mit großer Geste einen schweren Revolver. Die Kinder sind beeindruckt. Was auch ein Spiel mit Attrappen sein könnte, ist allerdings ganz ernst gemeint: Der Zwölfjährige trägt den Kriegernamen El Smiley, mit seinem ersten Mord hat er sich die Aufnahme in eine Mara, eine Gang, verdient. Jetzt ist er seinem ehemaligen Mentor El Casper auf den Fersen, der sich aus der Gang und seinem Leben im mexikanischen Tapachula absetzen will.

"Sin nombre" heißt das Langfilmdebüt des US-Autors und Regisseurs Cary Joji Fukunaga, welches die Geschichte von El Casper, dem Abtrünnigen, mit einem anderen Aspekt amerikanischer Gegenwart zusammenführt: Auch andere verlassen ihre Heimat, nicht freiwillig und unter schlechtesten Bedingungen wie Sayra aus Honduras. El Casper bewahrt sie vor dem Übergriff seines Gangleaders - und sie wird ihm fortan nicht mehr von der Seite weichen.

"Sin nombre" will Einblicke ins funktionale Innenleben der real existierenden berühmt-berüchtigten Mara Salvatrucha geben. Und er will den Migrationsstrom aus dem Süden Richtung USA begleiten. Der Zusammenhang ist begründet - nicht nur, weil die lateinamerikanischen Maras ihr Personal zum Teil aus den abgeschobenen oder zurückgelassenen Kindern von Migranten rekrutieren und die Gangs längst auf beiden Territorien florieren. Allerdings wird dieser Zusammenhang auf eher konventionelle Weise herbeigeführt, Stichwort: Junge trifft Mädchen. Und das ist dann doch nicht so gut konstruiert, dass das Konstruierte daran nicht auffiele.

Lapidare Wendungen

Eine angenehme Überraschung sind die lapidaren Wendungen, die der Film trotzdem immer wieder setzt. Die entsättigten Farben oder der Musikeinsatz wirken dann aber wieder sehr dem Zeitgeist und dem Kalkulieren mit Publikumserwartungen verpflichtet. Als grenzüberschreitendes Projekt ist Sin nombre schließlich selbst Teil einer ambitionierten Unternehmung: Den mexikanischen Part hat Canana Films übernommen, die Firma, die die mexikanischen Leinwandstars Gael Garcia Bernal und Diego Luna mit dem Produzenten Pablo Cruz betreiben. (Isabella Reicher / DER STANDARD, Printausgabe, 2.7.2010)