Vor der Großdemo in Wien forderte auch Kardinal Schönborn noch einmal einen humanitären Ausweg.

Wien – Waren es 7000 Menschen, wie die Polizei gezählt hat? Oder doch 20.000, wie die Schriftstellerin Isolde Charim von der Bühne auf dem Wiener Ballhausplatz verkündete? Egal. Niemand war jedenfalls böse, dass die Hauptdarstellerin, Arigona Zogaj (18), am Donnerstagabend nicht bei der größten Sympathiekundgebung für sie und ihre Familie dabei war. Dass die junge Schülerin aus Frankenburg ihre vorläufig letzten Tage in Österreich mit Freundinnen und Freunden verbringen will, dafür hat wohl jeder Verständnis.

Naturgemäß kein Verständnis gab es auf dem weitläufigen Platz vor der Präsidentschaftskanzlei für die vom Verfassungsgerichtshof abgesegnete Abschiebung: "Shame on You, Austria" , hieß es beispielsweise auf Transparenten. Oder: "Was lange gärt, wird endlich Wut." Unterstützt wurde die Aktion von NGOs wie Asyl in Not, SOS Mitmensch und auch von vielen Prominenten, darunter Willi Resetarits, Thomas Maurer, Elfriede Jelinek, Rudolf Scholten oder Robert Misik. "Es braucht einen Aufstand der Anständigen. Arigona Zogaj soll bleiben dürfen. Und all die anderen Arigonas auch" , erklärte Misik.

Kein humanitäres Recht

Wie berichtet, ist erst vor kurzem die endgültige juristische Entscheidung gefallen, dass Arigona Zogaj, ihre Mutter Nurje und ihre beiden jüngeren Geschwister nach Schulschluss das Land Richtung Kosovo verlassen müssen Innenministerin Maria Fekter (VP) lehnt die Möglichkeit, der Familie humanitäres Aufenthaltsrecht zu gewähren, wie ihr Vorgänger Günther Platter (VP) kategorisch ab.

"Wie lässt sich so was mit einer christlich-sozialen Haltung vereinbaren?" , fragte der Ungenacher Pfarrer Josef Friedl, der die Familie Zogaj seit Jahren unterstützt hat, im Standard-Gespräch, bevor er auf der Bühne nachsetzte: "Schade, dass sich Politiker die Meinung von manchen Zeitungen diktieren lassen."

Wenige Stunden vor der Großdemo hatte auch der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn einen humanitären Aufenthaltstitel für bestens integrierte Flüchtlingsfamilien gefordert. Der Kardinal wies darauf hin, dass es neben der medial vielbeachteten Familie Zogaj eine ganze Reihe weiterer bestens integrierter Familien gebe, die darum kämpfen würden, im Land bleiben zu können. Hier müsse Österreich einen besseren Weg finden als bisher, sagte Schönborn. Pfarrer Friedl erinnerte noch einmal daran, unter welchen schrecklichen Voraussetzungen Mutter Nurje Zogaj 2002 nach Österreich gekommen war: "Das Zuhause der Familie im Kosovo wurde von einer Granate zerfetzt. Nach kurzer Flucht nach Albanien kehrte die Familie in den Kosovo zurück und stand vor dem Nichts. Für Eltern ist es in einer derartigen Situation wohl das Gebot der Stunde, für die Kinder einen sicheren Ort zu suchen. Und der Mutter gelang es mit unglaublicher Anstrengung nach Österreich zu kommen."

Die Zuflucht stellte sich letztendlich aus formalen Gründen nicht als sicher heraus. Auch Bundespräsident Heinz Fischer sieht sich außerstande, den gut integrierten Familienmitgliedern zu helfen. Er wünsche sich zwar eine humanitäre Lösung, er müsse aber auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes respektieren. (Michael Simoner/DER STANDARD, Printausgabe, 2.7.2010)