Für "PPP" als Lockruf für Investoren: Ex-Banker Drennig.

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Wie man Geld für Investitionen in die öffentlichen Haushalte spülen kann, ohne den Konsum abzuwürgen: das Private-Public-Partnership-Modell als möglicher Ausweg aus dem Finanzierungsdilemma.

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Neben vielen anderen Problemen hat uns die Weltfinanzkrise ein ganz besonderes Dilemma beschert: Das Misstrauen der weltweiten Investoren erzwingt bei fast allen europäischen Staaten radikales Sparen und einen nachhaltigen Abbau der Budgetdefizite. Zugleich aber legen die gestiegene Arbeitslosigkeit, der Umweltschutz, der nötige Ausbau der Infrastruktur und die konjunkturelle Lage - und nicht zuletzt amerikanische Politiker und Ökonomen - massive Investitionsprogramme und damit höhere Ausgaben dringend nahe.

Es mag verrückt klingen: Aber gibt es nicht eine relativ einfache - und noch dazu bereits vielfach bewährte - Möglichkeit, dieses Dilemma zu lösen?

Die wichtigste und größte Finanzierungsquelle für Investitionen wären nämlich nicht höhere Einnahmen - die die Konjunktur wohl erst recht abwürgen würden -, sondern jene riesigen Beträge, die aus den Aktienmärkten und den Märkten für Staatsanleihen geflüchtet sind und mangels solcher Alternativen sogar die derzeit besonders niedrige Verzinsung von Einlagen bei Banken akzeptieren. Diese Gelder suchen Veranlagung, werden aber nur begrenzt Staatsanleihen kaufen, solange sie zu wenig Vertrauen in die sichere Rückzahlung haben.

Diese Gelder könnten aber sehr wohl mobilisiert werden, wenn den Anlegern statt bloßen Rückzahlungsversprechen Beteiligungen an handfesten realen Werten (an "tangible assets" ) und eine vernünftige Verzinsung geboten werden kann. Genau das ist aber der Fall, wenn die Investoren Beteiligungen an Einrichtungen der Infrastruktur erhalten, die von der öffentlichen Hand benötigt, und für die daher Nutzungsentgelte bezahlt werden.

Die dafür notwendige rechtliche Konstruktion ist längst bekannt. Und zwar handelt es sich um die Institution der Public Private Partnership, die es auch in Europa schon in vielfältigsten Formen gibt. Weltweit wird diese Konstruktion für die Erfüllung der unterschiedlichsten Aufgaben genutzt. In Europa waren es bisher vor allem Mautstraßen, die nach diesem Modell betrieben werden. Aber auch Flughäfen sind längst Gegenstand solcher Kooperationsformen geworden (wie etwa die Londoner Airports Heathrow und Gatwick). Und in den Vereinigten Staaten wird etwa die Wasserversorgung und -entsorgung auch vieler Großstädte von privaten Gesellschaften betrieben. Das funktioniert deshalb ziemlich klaglos, weil man sich auf ein Modell geeinigt hat, das die privaten Gesellschaften der staatlichen Tarifregulierung unterwirft, diese aber ihrerseits dem Grundsatz zu folgen hat, dass sich die privaten Investitionen in solche Wassernetze mit einer Rendite (je nach Staat) zwischen sieben und neun Prozent für die vorgenommenen Investitionen rechnen müssen.

Ähnliche Modelle gibt es für Kraftwerke und für die Müllentsorgung, wobei das Modell der Koppelung der Müll- und auch gleich Klärschlammentsorgung mit Wärmekraftwerken für viele Gemeinden in ganz Europa besonders interessant sein dürfte. Und warum darf unter keinen Umständen in Österreich die Infrastruktur der Bahn in eine Gesellschaft ausgelagert werden, die eine Vergütung für die Nutzung der Infrastruktur in Rechnung stellt, aber mit privaten Geldern sowohl eine Modernisierung als auch Erweiterung überhaupt erst finanzieren hilft? Es ist skurril, von der EU dafür geklagt zu werden, dass wir auf eine Konstruktion verzichten, die so manche Finanzierungsprobleme lösen könnte.

Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten und zugleich wirtschaftlicher Notwendigkeiten, wie etwa den Ausbau intelligenter Stromnetze oder alternativer Energien. Selbst die Errichtung von Krankenhäusern erfolgt in vielen Ländern durch eigene Gesellschaften, die sich mit privaten Kapital finanzieren, die allen von den jeweiligen Gesundheitsbehörden definierten Ansprüchen voll Rechnung tragen - und die Häuser auch an diese vermieten.

Natürlich werden in ganz Europa Art und Umfang der auf diese Weise zu finanzierenden Investitionen von politischen Notwendigkeiten und vermeintlich fehlenden Handlungsspielräumen kräftig eingeschränkt. Aber es gibt derzeit wenig Alternativen. Noch so umfangreiche Hilfspakete der Europäischen Union werden von den internationalen Investoren nicht als Lösung der Finanzkrise angesehen, sondern nur ernsthafte Einsparungen. Einsparungen aber sind genauso zwingend wie umfangreiche Investitionen. Der hier aufgezeigte (oder genauer genommen nur in Erinnerung gerufene ) Weg könnte beiden Notwendigkeiten Rechnung tagen. Und zumindest bisher scheint niemandem wirklich bessere Alternativen gefunden zu haben. (Manfred Drennig, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.7.2010)