Wien - Laut aktuellem "Schuldenkompass" gehen in Österreich rund zehntausend Menschen jährlich in Privatinsolvenz. Für sie ist an einen normalen Gang zur Bank nicht zu denken, denn mit der Überschuldung geht oft der Verlust des Kontos einher. Damit wird jede Überweisung zur zusätzlichen finanziellen Belastung. Schätzungen zufolge bekommen etwa 50.000 Menschen in Österreich kein Konto wegen finanzieller Schwierigkeiten. Ihnen helfen die "Zweite Sparkasse" und die BAWAG PSK mit einem einfachen Habenkonto. Die Schuldnerberatung ist froh über die Alternativen.

Die "Zweite Sparkasse" existiert seit über drei Jahren. Gegründet wurde sie auf Initiative der Erste Stiftung. 400 ehrenamtliche Mitarbeiter betreuen dort rund 6.000 Kunden, monatlich kommen etwa 150 dazu. "Der Fokus liegt natürlich auf Wien. Hier haben wir 80 bis 100 Neukunden im Monat", so Vorstandschefin Evelyn Hayden. Dennoch unterhält die Sozialbank ein Netz an Filialen und Korrespondenzbanken in den Bundesländern. Heuer soll eine in Linz dazukommen. Wer ein Konto bei der "Zweiten Sparkasse" eröffnen möchte, muss von einer Partnerorganisation an die Bank verwiesen werden. Meistens ist das die Schuldnerberatung.

"Die 'Zweite Sparkasse' hat sicherlich das Eis gebrochen und war lange alternativlos", sagt Hans Grohs, Chef des Dachverbands der Schuldnerberatungen. "Trotzdem sind wir auch froh über das Angebot der BAWAG." Die BAWAG bietet seit April 2009 das "Neue Chance Konto". Das einzige Ausschlusskriterium ist hier, dass der Kunde kein überzogenes Konto bei der BAWAG haben darf. Die Kosten dafür betragen 13,50 Euro im Quartal. Auch hier wurden bereits 6000 Konten eröffnet. "Seit April haben wir besonders großen Zuwachs.", sagt Günter Horniak, in der Bank für Corporate Social Responsibility (CSR) zuständig. Etwa 400 Neukunden seien es im Monat. Bei der BAWAG hofft man, diesen später ein normales Konto anbieten zu können und sie so längerfristig an sich zu binden.

Keine Stigmatisierung

Obwohl sich die BAWAG mit ihrem Angebot nicht als Konkurrenz zur "Zweiten Sparkasse" sieht, betont Sprecherin Sabine Hacker die Vorteile: "Die Kunden können in alle unsere Filialen kommen. Außerdem gibt es keine Stigmatisierung durch eine eigene Bankleitzahl." "Das ist wirklich ein Vorteil, zum Beispiel bei der Jobsuche", bestätigt Schuldnerberater Grohs. Insgesamt sei das Angebot der BAWAG unbürokratischer, dafür koste es etwas. Zur "Zweiten Sparkasse" würden von den Schuldnerberatern eher jene geschickt, die auch Beratung brauchen, denn die ist dort Bedingung.

Obwohl ein reines Habenkonto risikolos klingt, zieren sich die Banken davor, Kunden aufzunehmen, die auf der "Schwarzen Liste" stehen. "Wahrscheinlich, weil sie zu wenig Gewinn abwerfen", meint Grohs.

Bei der Erste Stiftung möchte man das Konzept auf alle Länder, in denen die Erste Group tätig ist, ausdehnen. "Voraussetzung dafür ist aber die Existenz einer Schuldnerberatung", so Hayden. "Und die gibt es in Tschechien zum Beispiel erst seit circa einem Jahr." Die "Zweite Sparkasse" erwirtschaftet nach Angaben der Vorstandschefin jedes Jahr eine rote Null. Letztes Jahr sei sie zwar besonders rot gewesen, doch die Rücklagen seien noch nicht aufgezehrt. "Auch für die BAWAG sind diese Konten ein Nullsummengeschäft", beteuert Horniak. (APA)