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Kein Geld, keine Forschung: Weder im universitären noch im außeruniversitären Sektor.

Foto: APA/Georg Hochmuth

Spätestens seit Herbst 2009, als Studierende das Audimax besetzten und regelmäßig ihren Unmut auf der Straße kundgaben, ist zu den meisten ÖsterreicherInnen durchgedrungen, dass an den heimischen Universitäten akute Geldnot herrscht. Die Forderungen der StudentInnen, Lehrenden und RektorInnen wurden monatelang ignoriert - die Konsequenz für die ÖVP-Wissenschaftsministerin Beatrix Karl lautet: Einfrieren und Hoffen. Eingefroren wird das Budget ab 2013 und gehofft wird auf private InvestorInnen.

Von den geplanten Einsparungen sind aber nicht nur die Universitäten betroffen. Der Bereich der außeruniversitären geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschung (GSK-Sektor), mit etwa 300 Einrichtungen in Österreich, bleibt von der Sparpolitik nicht verschont und ist zudem schon lange von privaten InvestorInnen abhängig. Peripherie, eine dieser 300 Einrichtungen, betreibt seit zehn Jahren praxisorientierte Genderforschung. Der politisch unabhängige und gemeinnützige Verein mit Sitz in Graz betreibt seither Forschung, bietet Beratung und Coaching und strebt die Gleichstellung von Frauen und Männern auf allen gesellschaftlichen Ebenen an.

Kürzungen und keine Indexanpassungen

Seit der Gründung des Instituts beteiligt sich Peripherie an EU-Projekten. Ohne die Basisfinanzierung des Wissenschaftsministeriums und des Landes Steiermark wäre das Risiko für die Gründerinnen zu groß gewesen, und das Institut überhaupt nicht gegründet worden. Die Basisförderung jedoch wurde in den zehn Jahren des Bestehens nicht nur nicht angehoben, sondern sukzessive um insgesamt ein Viertel gekürzt. Durch die mit 2009 schlagend gewordenen Budgetkürzungen stehen die Wissenschaftlerinnen von Peripherie, wie im GSK-Sektor allgemein, vor existenziellen Problemen.
Doris Kapeller, Geschäftsführerin von Peripherie, befürchtet, das Institut schließen zu müssen. "Die Geschäftsführerin und der Vorstand sind nicht bereit", so die Soziologin, "derart große finanzielle Risiken auf sich zu nehmen, für Akademikerinnen einen adäquaten Arbeitsplatz zu schaffen und gesellschaftliche Aufgaben privat zu übernehmen".

Forschungsinstitute wie Peripherie müssen vor allem auf Investitionserhaltung im Personalbereich achten. Im GSK-Sektor ist es daher nicht nur unmöglich sondern auch ineffizient Personal kurzfristig anzustellen.

Fehlen von Perspektiven

Folglich können keine Strukturen mehr aufgebaut werden, keine Fortbildungen mehr stattfinden, Praktikantinnen können nicht mehr ausgebildet werden. Es wird keine Vernetzung und auch keine politische Arbeit mehr möglich sein. Auch infrastrukturelle Anschaffungen können nicht mehr getätigt werden. Projektanträge können nicht mehr vorfinanziert und geschrieben werden. Laufende Projekte werden zwar zu Ende geführt, eine langfristige Perspektive ist jedoch nicht gegeben. Diese Arbeiten, so die Grazerin, würden an der Geschäftsführerin hängen bleiben und sie müsste diese umsonst machen, da kein Geld dafür da wäre. Durch das Verschwinden der gesamten Hintergrundarbeit ist es für die Peripherie-Geschäftsführerin "sinnlos, das Institut weiterzuführen".

Konkurrenz

Eine Besonderheit der österreichischen Forschungslandschaft im internationalen Vergleich ist jedoch, dass die Beteiligung an sozialwissenschaftlichen Programmen der europäischen Rahmenprogramme mehrheitlich von außeruniversitären Instituten getragen wird. Etwa 75 Prozent der erfolgreichen Einreichungen entfielen bisher auf den GSK-Sektor. Der außeruniversitäre Sektor konkurriert stark mit dem universitären. Universitäten haben aufgrund der automatischen staatlichen Grundsicherung insofern einen Wettbewerbsvorteil, als dass sie bei Projektförderungen auf eine sichergestellte Basisförderung zurückgreifen können.

Durch die von Wissenschaftsministerin Karl geplanten Auftragsforschungen und ihrer Hoffnung auf private InvestorInnen werden sowohl die universitäre als auch die außeruniversitäre Forschung für bestimmte Interessen instrumentalisiert. Von freier Forschung kann künftig nur mehr in Ausnahmefällen gesprochen werden.

Streichung mehrerer Ressourcen

Im GSK-Sektor wurde 2009 das Förderprogramm "Dynamische Qualitätssicherung", ohne - wie vorgesehen - in Leistungsvereinbarungen mit den Institutionen des GSK-Sektors überführt zu werden, ersatzlos gestrichen. Auch die Kofinanzierung des Wissenschaftsministeriums wird nicht mehr auf deren Konten verbucht. Für die dort beschäftigten WissenschaftlerInnen bedeutet dies eine weitere Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, sowie eine nachhaltige Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit.

Dumping und Prekarisierung

Derzeit ist die Auftragslage für die genderorientierte Praxisforschung bei Peripherie noch sehr gut, so die Geschäftsführerin. Doch der Druck auf das Institut, die Geschäftsführung und vor allem auf die MitarbeiterInnen wächst. Viele Institute müssen, Kapeller zufolge, auf "Prekarisierung umsteigen und den MitarbeiterInnen weniger bezahlen". Aus fixen Anstellungsverhältnissen bei Peripherie würden bestenfalls Werkverträge mit Studierenden, weil diese, so Kapeller, "billiger sind". Peripherie würde jedoch unter diesen Bedingungen nicht arbeiten, folglich vorher schließen. Doris Kapeller will sich auf solche Verhältnisse "nicht einlassen". Junge Akademikerinnen verlieren in Folge die "Lust am Forschen, so dass die beschämende Akademikerinnen-Quote im Forschungsbereich in Österreich noch weiter zurückgehen wird". (Sandra Ernst-Kaiser, dieStandard.at 01.08.2010)