Wien - „Nur Waldheim kann noch mit Saddam Hussein reden" titelte der Standard am 8. November 1990. Zitiert wurde ein New Yorker UN-Diplomat, der nicht namentlich genannt werden wollte. Gemeint war, dass der Einfluss der Uno auf den irakischen Staatschef aufgrund der Sicherheitsratsresolutionen, die ihn zum sofortigen Abzug aus Kuwait bei sonstiger Gewaltanwendung aufforderten, gleich null war.
Die Reputation des damaligen österreichischen Bundespräsidenten leitete sich aus seiner Zeit als UN-Generalsekretär (1972- 1981) her, vor allem aber aus seiner anfangs umstrittenen Mission zur Befreiung österreichischer Geiseln im Irak: Am 25. August, drei Wochen nach der Invasion Kuwaits, erwirkte Waldheim bei einer Begegnung mit Saddam Hussein in Bagdad die Freilassung von mehr als hundert Österreichern.
Indem er Ausländer als Geiseln nehme, wolle Saddam möglichst viele Spitzenpolitiker nach Bagdad locken, um zu demonstrieren, dass er international nicht isoliert sei, lautete der Hauptkritikpunkt. Besonders delikat war dies im Falle Waldheims. Das wegen seiner Kriegsvergangenheit („Ich habe nur meine Pflicht getan") umstrittene und auf die US-Watchlist gesetzte österreichische Staatsoberhaupt wurde im Westen praktisch geschnitten, war aber in der arabischen Welt weiterhin hoch angesehen und willkommen - was natürlich auch eine Stichelei gegen die USA und Israel sein sollte. Waldheim sah sich also dem Vorwurf ausgesetzt, sich von einem Diktator politisch instrumentalisieren zu lassen.
Allerdings folgten andere Prominente Waldheims Beispiel. Auch Boxstar Muhammad Ali und die ehemaligen Regierungschefs von Deutschland und Großbritannien, Willy Brandt und Edward Heath, durften Landsleute mit nach Hause nehmen, nachdem sie Saddam die Aufwartung gemacht hatten. Der ließ dann am 6. Dezember 1990 alle noch verbliebenen westlichen Geiseln frei.
„Man muss sein Wesen berücksichtigen. Es darf nie die eigene Mentalität über die Mentalität des Gegenspielers gestülpt werden", sagte Waldheim in einem Interview mit Format Ende 1998 über seine Art, mit Leuten wie Saddam zu reden. Wobei ihm klar war: „Er ist äußerst autoritär und spielt sein Spiel."
Am 15. Jänner 1991 war das Spiel zu Ende: Das Ultimatum des UN-Sicherheitsrats lief ab. Tags zuvor musste Waldheim, der sich weiter um Vermittlung bemüht hatte, nach Besuchen in Ägypten, Jordanien und Oman feststellen: „Die Würfel sind gefallen." Drei Tage später begann die militärische Befreiung Kuwaits. (Josef Kirchengast, DER STANDARD, Printausgabe, 2.8.2010)