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Die große Müdigkeit will mit spezifischen psychologischen Mitteln behandelt sein: Koreanische Köche haben sich bei der kulinarischen Olympiade sichtlich verausgabt.

Foto: AP/Meyer

Was ist das Gute an der von den Medien aufgegriffenen Burnout-Geschichte? Das Mediale. Die Aufmerksamkeit, die der Zunahme psychischer Erkrankungen dadurch zuteil wird. Vielleicht sogar die ein wenig damit einhergehende Enttabuisierung (auch anderer) psychischer Erkrankungen.

Das weniger Gute daran ist, dass sich die Debatte zwischen berufsständischen Interessengruppen abspielt, von denen jede meint, die Weisheit gepachtet und die allein seligmachende Behandlungslösung gefunden zu haben.

Was im Zuge der vielen aufgeregten Wortmeldungen konsequent untergeht, ist die angemessene Betrachtung des Problems. Bei Burnout handelt es sich nicht um eine anerkannte Diagnose (gemäß internationalem Klassifikationssystem ICD 10), sondern um eine Zusatzdiagnose, die ein Syndrom beschreibt oder, besser gesagt, eine komplexe Problemlage. Die Basisstörungen können psychische sein, wie z. B. Panikattacken, Depression, Belastungsstörungen etc., sie können (psy- cho-)somatischer Natur sein, wie Herz-Kreislaufstörungen oder Tinnitus, die Liste möglicher Symptomatiken im Einzelfall ließe sich lange fortsetzen.

Burnout kann infolge von belastenden Arbeitssituationen oder anderen Belastungssituationen auftreten, immer aber handelt es sich um ein Konglomerat von somatischen, psychosomatischen und psychischen Beeinträchtigungen, also um eine komplexe Symptomatik, die sich zudem individuell unterschiedlich bemerkbar machen kann.

Wie soll hier eine einzige Berufsgruppe allein eine Behandlung oder Heilung erreichen? Doktern da nicht alle nur an einem isolierten Symptom herum? Was hilft's, wenn die Psychotherapie die Depression behandelt, der Bandscheibenvorfall aber unentdeckt bleibt? Was hilft's, wenn der Tinnitus gelindert wird, die Erschöpfungszustände aber zu neuen Problemen führen?

Die einzig sinnvolle und angemessene Antwort auf solch komplexe Bilder massiver gesundheitlicher Beeinträchtigung wie Burn-out kann doch nur eine multiprofessionelle sein, ein Zusammenwirken von ÄrztInnen, PsychologInnen, PsychotherapeutInnen, gegebenenfalls anderen (gesetzlich geregelten) Gesundheitsberufen im Interesse des leidenden Menschen. Hier kann es nicht um Verteilungsinteressen einzelner Berufsgruppen gehen, so viel Fachkenntnis sollte man voraussetzen können!

Das noch weniger Gute an der aktuellen Debatte ist, dass sich PolitikerInnen nicht einmal die Mühe machen, zwischen Prävention und Behandlung zu unterscheiden und psychologische Behandlung und Psychotherapie in einen schönen großen Psy-Topf werfen. Richtig peinlich wird es, wenn es der Gesundheitsminister ist, dem das passiert. Es ist nicht hilfreich, wenn Minister Stöger Prävention der Behandlung ausschließend gegenüberstellt.

Prävention ist in den Betrieben zu verankern und auch teilweise in deren Verantwortung, aber eine bedarfsorientierte Finanzierung psychologischer Behandlung und psychotherapeutischer Leistungen für die schon Erkrankten zu gewährleisten, ist Sache der Gesundheitspolitik und nicht der Betriebe! In die Prävention zu investieren, wie es Stöger ja vorsieht, hieße, auch Fachkräfte dort fest zu verankern und z. B. Arbeits- und OrganisationspsychologInnen als Präventivkräfte gesetzlich festzuschreiben; hieße, die Ausgaben für die Prävention zu erhöhen, die gegenwärtig weit unter dem OECD-Schnitt sind. Präventive Maßnahmen rechnen sich - besser als lang andauernde Krankenstände infolge psychischer Erkrankungen!

Für die Behandlung psychischer Erkrankungen ist, auch unter Berücksichtigung gesundheitsökonomischer Gesichtspunkte, nur eine maßgeschneiderte Versorgung denkbar, in der einander Leistungen von ÄrztInnen, PsychologInnen und PsychotherapeutInnen kompetent ergänzen. Kurt Grünewald (Grüne) spricht mir aus der Seele, wenn er meint: "... wir müssen davon abkommen, dass die Psyche immer nur so einfach gestrickt ist."

Wirklich gut wäre es, wenn Minister Stöger Handlungsbedarf sähe - und zwar sowohl im Bereich der Prävention als auch in der Behandlung psychischer Erkrankungen (deren angemessene Finanzierung eingeschlossen). (DER STANDARD-Printausgabe, 2.8.2010)