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Peter Hoare (als Tschartkow) in der "Portrait"-Oper.

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Bregenz - Bei den Bregenzer Festspielen 2010 wird Mieczyslaw Weinberg porträtiert: Weinberg, der Mann mit dem allemannischen Lebenscredo ("Ich bin immer an der Arbeit"), Weinberg, der glühende Schostakowitsch-Jünger, der stilistische "Allesfresser" eines halben musikalischen Jahrhunderts, Weinberg, der von den Nazis Vertriebene und vom Sowjetregime Inhaftierte, der anfänglich zu Fortschrittliche und letzten Endes manchen zu wenig Moderne; Weinberg, der Vergessene.

Die Inszenierung der Auschwitz-Oper Die Passagierin war Auftakt und zentraler Pilgerpunkt der Weinberg-Erkundung am Bodensee; neben ausgewählten Höhepunkten des Weinberg-Schaffens - Symphonien, Instrumentalkonzerte und Kammermusikalisches - wird im Theater am Kornmarkt auch dessen späte Oper Das Portrait präsentiert. Just in jenem Jahr, als Weinberg als "Volkskünstler der russischen Republik" ausgezeichnet werden sollte, 1980, vollendete er das auf einer Erzählung Gogols basierende Werk, welches die Korrumpierbarkeit des Künstlers durch Geld und Gesellschaft thematisiert.

Tschartkow, ein armer, talentierter Maler, kauft bei einem Trödler ein Porträt eines alten, dämonisch blickenden Wucherers; im Rahmen dieses Bildes versteckt, findet er eine große Geldsumme. Er kauft sich feinste Kleidung, mietet sich eine prachtvolle Wohnung und kauft sich eine wohlwollende Presse.

Augenblicklich avanciert er zum Darling der Gesellschaft und kann sich vor Aufträgen kaum retten - auch weil er sich bei seinen Porträts dienstfertig nach den Wünschen seiner Auftraggeber richtet. Als Tschartkow Jahre später, schwerreich, ein perfektes Kunstwerk eines jungen Malers erblickt, erkennt er, wie er sein Talent verschludert hat, zerstört alle in seinem Besitz befindlichen Meisterwerke, fällt dem Wahnsinn anheim und stirbt.

Weinberg zieht im tragikomisch angelegten Portrait alle Register seines (beachtlichen) Könnens, surft stilistisch behände durch sein Jahrhundert; die (exzellent instrumentierte) Komposition gleicht sich mit filmmusikalischer Reaktionsschnelligkeit den unterschiedlichen Stimmungen des Librettos an; sie spöttelt, schwelgt, tänzelt, poltert, verängstigt, verzaubert. Mitunter fühlt man sich wie beim River-Rafting auf einem rasanten Komödienfluss, bei dem man unvermittelt auf eine Sandbank der Melancholie aufläuft oder kurz an einem Fels der Verzweiflung vorbeischrammt.

John Fulljames (Regie) lässt das Werkl nie ins Stocken geraten, findet passende Bilder für Tragisches und Komisches, Dick Bird (Bühne und Kostüme) konstruiert einen klugen Rahmen für das große Ganze, das Seinerzeit-Gewand, kombiniert mit den Videoprojektionen von Finn Ross, erschafft die Gruselmärchen-Atmosphäre Gogols gekonnt wieder.

Für Peter Hoares (Tschartkow) immer sehr direkten Tenor ist das Theater am Kornmarkt definitiv zu bescheiden dimensioniert, David Stout (Nikita) dient ihm mit angenehm starkem Bariton, und Ernst-Dieter Suttheimer ist in Lust (als Edelmann) wie im Frust (als Laternenanzünder) die Seele des Stücks. Das Symphonieorchester Vorarlberg unter Rossen Gergovs tut das ihm Mögliche, starke solistische Leistungen (Weinberg liebt ausgiebige vokal-instrumentale Zwiesprachen) inkludiert. (Stefan Ender, DER STANDARD/Printausgabe, 01.08.2010)