Einer der "Schwäne" bei Mathilde Monniers Projekt "Pavlova 3'23'" im Wiener Akademietheater.

Foto: Coudrais

Wien - Die Rückkehr des Schwans zum Tanz hat begonnen. In Frankreich mit Mathilde Monniers Pavlova 3'23', das im Akademietheater zu sehen war. Und in Österreich mit Doris Uhlich, die ebenfalls an einem Schwanenstück arbeitet, dessen Uraufführung für Herbst erwartet wird. Uhlichs Rising Swan soll den Schwanengesang, die letzten Äußerungen einer Epoche im Umbruch hören lassen. Monnier und den neun jungen, an Pavlova 3'23' beteiligten Choreografinnen und Choreografen scheint es um einen ähnlichen Ansatz zu gehen.

Ausgangspunkt ist der Ballett-Hit Der sterbende Schwan von Michel Fokine für Anna Pawlowa aus dem Jahr 1907, also dreißig Jahre nach der Uraufführung von Schwanensee. Sieben Jahre später folgte der Umbruch des Ersten Weltkriegs. Seinerzeit galt der schwarze Schwan als Zeichen für überraschende Veränderungen, wie etwa beim Auftritt der schlimmen Odile in Schwanensee. Ein schwarzer Schwan tritt auch bei Pavlova 3'23' ins Rampenlicht: in Gestalt der Taiwanesin I-Fang Lin, die auf Chinesisch erklärt, was der Schwan ihr bedeutet.

Es folgt ein dichter Bilder- und Bewegungsreigen der Zerlegung und Umdeutung des von Fokin vorgegebenen Themas, das den Tänzern zu einem Flirt mit dem Pathos des Sterbens gerät. Dieser Flirt bildet auf der Bühne genauso komische wie tragische Wucherungen aus. Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Tod ist schwierig. Vor allem im Tanz, dessen wichtigstes künstlerisches Mittel eben der sterbliche Körper ist.

Monniers neun Heldinnen und Helden rücken ihre Wallfahrt zu den letzten Zuckungen in absurd anmutende Abläufe. Und es ist, als wären die becketthaften Figuren aus dem berühmten Stück May B der französischen Choreografin Maguy Marin als Pop-Youngsters wiederauferstanden.

Als würden sich diese jungen Gestalten als geschlossene Gesellschaft schon einmal probeweise an die Vorstellung von den letzten Dingen wagen. Sicherheitshalber aber zum Teil in Partystimmung, schließlich soll der Gefühlskitsch von einst vermieden werden. Denn der Unterschied zwischen dem Pawlow'schen Hund und dem Schwan der Pawlowa ist erstaunlich gering. Das Pathos des hinscheidenden Geflügels spricht die Konditionierung des Menschen auf emotionalisierende Reize an. Oft lässt schon die Erwähnung des Schwans unsere Gefühls-Lefzen trenzen.

Mit diesem Reflex arbeiten Monnier und ihre Künstlerschar auch, und sie halten uns so bei Laune, damit wir nicht zu sehr unter der Auflösung des Schwanen-Pathos leiden müssen. Am 3. August zeigt Mathilde Monnier bei Impulstanz noch ihr jüngstes Stück: Soapéra. (Helmut Ploebst, DER STANDARD/Printausagbe, 01.08.2010)