Rot-Grün-Rot. So verlief das politische Leben des Stefan Schennach bisher.

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Stell dir vor die SPÖ gibt eine Pressekonferenz - und alle anwesenden JournalistInnen stellen nur Fragen zum Zustand der Grünen. Wie das geht? So wie gestern, als die Wiener SPÖ ein neues Parteimitglied mit einschlägiger politischer Vergangenheit präsentierte - einschlägig grüner politischer Vergangenheit, um genau zu sein. Bundesrat Stefan Schennach (Grüne) wechselt nämlich zur SPÖ.

Schennachs Begründung für den Parteiwechsel: Er habe die Entscheidung getroffen, weil er bei den Sozialdemokraten "eine neue Perspektive" für seine Arbeit im Bereich der internationalen Beziehungen und der Europäischen Integrationspolitik sehe. Er gehe jedoch nicht "im Zorn" von den Grünen weg, es sei "kein Verrat, sondern eine ganz persönliche Entscheidung". Und zur Bilanz der vergangenen Jahrzehnte: "Im Rückblick überwiegt für mich das Positive". Einfach sei ihm die Entscheidung nicht gefallen: "Nach so vielen Jahren können Sie mir glauben, dass so ein Schritt nicht beim Frühstückskaffee beschlossen wird", meinte Schennach.

"Schmerzvollste Erfahrung meines politischen Lebens"

Unmittelbar vorangegangen war dem Wechsel die Wahllistenerstellung der Döblinger Grünen, bei der Schennach eine Wiederkandidatur untersagt wurde.  "Ich bin nicht abgewählt worden - man hat mich nicht zur Wahl zugelassen. Das ist ein großer Unterschied. Hätte ich zur Wahl antreten können, wäre ich auch gewählt worden", zeigte sich Schennach überzeugt. "Das war die schmerzvollste Erfahrung meines politischen Lebens", so der Ex-Grüne. Dann sei das Angebot der Wiener SPÖ "zum richtigen Zeitpunkt" gekommen. Schennach macht gleich Nägel mit Köpfen: Mit dem heutigen Tag trat er aus dem Grünen Klub und der Partei aus. Um gleich Parteimitglied der SPÖ zu werden, wie er es schon in seiner Zeit vor dem grünen Engagement war.

Wie seine grünen Ex-Parteifreunde auf den Austritt reagiert haben? "Ich habe in einem sehr persönlichen Schreiben meinen grünen FreundInnen meine Beweggründe dargestellt", erzählt Schennach. Die Reaktionen, die daraufhin per SMS, Email oder Telefon bei ihm angekommen seien, seien großteils nicht negativ gewesen. "Ich war überrascht, wie viele mir ihre freundschaftliche Verbundenheit und auch ihr Verständnis versichert haben".

Rot-grüne "Wunschkoalition"

Schennach war 23 Jahre in der Grünen-Politik aktiv. Er war auf Bezirksebene in Döbling tätig und seit 2001 im Bundesrat vertreten. Schennach war außerdem längere Zeit Pressesprecher der Grünen. Nach der Wien-Wahl wird Schennach von der SPÖ auf der Liste für den Bundesrat gereiht werden, einen Listenplatz bei der Wiener Wahl für Landtag oder Gemeinderat bekommt er nicht - die Landes- und Bezirkslisten sind ja bereits seit April fixiert.

Schennachs Koalitionspräferenzen für Wien - sollte die rote Absolute fallen und eine Koalition nötig werden - sind jedenfalls klar. "Natürlich ist in meinem Herzen Rot-Grün eine Wunschkoalition, alles andere wäre ja absurd".

Vassilakou "persönlich enttäuscht"

Keine derjenigen Grünen, die Verständnis für Schennachs Wechsel zeigen, dürfte Wiens Grünen-Chefin Maria Vassilakou sein. Sie zeigte sich in einer ersten Reaktion im Ö1-Mittagsjournal völlig überrascht. Sie sei "persönlich enttäuscht", Schennach sei von ihr sehr geschätzt worden und überdies ein enger persönlicher Freund. Erklären könne sie sich den Schritt nicht, es habe keinen Streit gegeben. (red/az, derStandard.at, 1.9.2010)