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Foto: Reuters/Bader

Sozialminister Hundstorfer lässt keine Kritik an der Mindestsicherung gelten.

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Wien  - Die Mindestsicherung, die heute, 1.9.2010, in Kraft tritt, sei eine "wesentliche Verbesserung für die Betroffenen", erklärte Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) bei einer Pressekonferenz. "Natürlich" wäre er glücklicher, wenn sie in allen Bundesländern gleichzeitig gestartet wäre, er zeigte sich aber "zutiefst" überzeugt, dies im Herbst "erledigt" zu haben. "Das Ziel der Reise ist, aus der Armut rauszukommen", so Arbeitsmartservice-Vorstand Johannes Kopf.

Vor allem Frauen profitieren

Die Vereinheitlichung der Sozialhilfe auf Mindeststandards, die E-Card für Dauer-Sozialhilfebezieher oder bessere Leistungen für Alleinerziehende nannte Hundstorfer etwa als Verbesserungen. Auch der erhöhte Anreiz, ins Arbeitsleben einzutreten durch den fast gänzlichen Entfall des Regresses sei positiv. Durch die Neuberechnung der Notstandshilfe bekämen die Betroffenen 40 bis 100 Euro mehr. 69.000 Menschen, vor allem Frauen, würden hiervon profitieren, so der Minister. Da es sich bei der Notstandshilfe um ein Bundesgesetz handelt, sei es ab heute auch in allen Bundesländern wirksam, zeigte sich Hundstorfer erfreut.

Anders verhält es sich bei der Mindestsicherung, die heute nur in drei Bundesländern - Wien, Niederösterreich und Salzburg - startet. Auf die Frage, ob dies ein Wermutstropfen sei, meinte er: "Jein", schließlich würden sie die restlichen Länder in den nächsten Monaten umsetzen. Die "breite Masse" der Betroffenen werde mit Wien und Niederösterreich bereits umfasst und in der Steiermark sowie in Oberösterreich sei schon jetzt ein "sehr hohes Niveau" erreicht.

"Sozialpolitischer Meilenstein"

Kopf sprach bei der Mindestsicherung von einem "sozialpolitischen Meilenstein". Das AMS sei vor allem für den individuellen Schritt aus der Armut durch Beschäftigung gut vorbereitet, meinte er. Die Pressekonferenz fand in den Räumlichkeiten von "step2job" in Wien Floridsfdorf statt. Es handelt sich dabei um ein Pilotprojekt, das nun auf ganz Wien ausgedehnt wird. Das Pilotprojekt umfasst derzeit 804 Personen und soll aufgrund der positiven Erfahrungen auf über 7.000 Betroffene in Wien ausgeweitet werden.

Mit wie vielen Klienten das AMS durch die Mindestsicherung zusätzlich zu rechnen hat, konnte Kopf nicht exakt sagen. 10.000 bis 20.000 zusätzliche Arbeitslose seien genannt worden, meinte er. Tatsächlich kämen kaum Leute, die das AMS nicht ohnehin schon kennt.

Spielregeln notwendig

Kritik an der Mindestsicherung ließ Hundstorfer nicht gelten, sie stelle eine wesentliche Verbesserung dar. Spielregeln seien auch in einer humanistischen Gesellschaft notwendig, deshalb werden die Betroffenen auch zum Mitmachen aufgefordert. Konsequenzen etwa bei Nicht-Erscheinen bei Terminen (Kürzungen der Bezüge) kämen jedenfalls nicht überfallsartig, hierbei handle es sich um einen Prozess, betonte er.

Über die Zahl der Mindestsicherungsbezieher gibt es nur Schätzwerte. Angenommen wird, dass sich bei der Sozialhilfe vor allem im ländlichen Bereich ein Plus von etwa 20 Prozent ergeben wird. Vermutlich werden etwa 270.000 Menschen, darunter 165.000 Sozialhilfebezieher, 90.000 Notstandshilfeempfänger und 15.000 Kinder von Ausgleichszulagebeziehern, die Mindestsicherung beziehen.

Caritas fordert weitere Schritte

Der Start der Mindestsicherung am Mittwoch hat unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Während die Caritas etwa weitere Schritte fordert, pocht die Wirtschaftskammer auf die Transferdatenbank, um Überversorgung und Ungerechtigkeit zu vermeiden. Der Städtebund wiederum will mehr Mitbestimmung im Sozialbereich. Die Volkshilfe ruft die Bundesländer zu einheitlichen Regelungen auf. Das BZÖ bezeichnete die Mindestsicherung als "leistungsfeindlich". 

"Die Einführung der Mindestsicherung ist ein erster wichtiger Schritt, um Österreich ein Stück armutsfester zu machen, dem jedoch weitere folgen müssen", erklärte Direktor Michael Landau in einer Aussendung. Landau bekräftigte die Kritik an der Höhe der Mindestsicherung. So bedeute die zwölfmalige Auszahlung statt wie ursprünglich geplant 14 Mal pro Jahr eine Kürzung um rund 15 Prozent.

WK: Anreiz zur Arbeit muss bestehen bleiben

Die Wirtschaftskammer bekannte sich zur Mindestsicherung. Damit ausreichend Anreiz zur Arbeit besteht, sollten jedoch alle Transfers in Summe nicht mehr ausmachen als die Höhe der Mindestsicherung. "Daher ist es jetzt besonders wichtig, alle Transfers an Geld- und Sachleistungen von Bund und Ländern möglichst rasch in der Transferdatenbank zusammenzufassen", erklärte Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit in der WKÖ.

Für das BZÖ ist die Mindestsicherung "leistungsfeindlich" und ein bedingungsloses Grundeinkommen. "Die heutige Einführung wird noch einmal zu einem Trauertag für die österreichischen Steuerzahler werden", stellte Generalsekretär Christian Ebner fest. (APA)