Alpbach - So wie im Handel mit Wertpapieren sollen künftig im Handel mit Strom und Gas und Europa Strafen auf Marktmissbrauch und Insidergeschäfte stehen. Wie der österreichische E-Control-Chef Walter Boltz am Mittwoch bei den Wirtschaftsgesprächen in Alpbach gegenüber der APA sagte, bereitet die EU-Kommission bis zum Frühjahr 2011 einen Gesetzesentwurf vor.

Was im Finanzwesen längst sanktioniert sei, sei am Energiemarkt gesetzlich zulässig, kritisierte Energieregulator Boltz. Der Energiehandel sei in Europa bisher unzureichend überwacht. Das soll ab 2012 anders werden.

Basis für die Identifizierung und Ahndung von Verstößen soll eine Meldepflicht für alle Transaktionen sein - möglichst an einer Behördenstelle auf EU-Ebene. Verfolgt und sanktioniert würden Verdachtsfälle dann auf nationaler Ebene. Wobei Boltz dabei die Energie-Regulatoren vorschweben und eher nicht die Finanzmarktaufsichtsbehörden. "Wir können das in einem Jahr zum Laufen bringen, die Finanzer brauchen dafür fünf Jahre, bei denen hat die Causa derzeit Priorität zehn."

Für Finanzprodukte auf Strom- und Gasgeschäfte - also etwa Optionen/Termingeschäfte - sind jetzt schon die Finanzaufseher zuständig, in Österreich die FMA. Der weitaus größere Rest, die Basisgeschäfte des Energiehandels, ist unreguliert. Und selbst bei den "Finanzprodukten" würden oft Konstruktionen gewählt, die nicht mehr den Finanzaufsehern unterliegen.

Dass damit auf die Energieregulatoren - in Österreich die E-Control - extrem viel Arbeit zukommt, glaubt Boltz trotzdem nicht. "Dass die Daten gesammelt und veröffentlicht werden können, ist schon eine sehr große Abschreckung." Es würden hohe Hürden gegen missbräuchliches Verhalten eingezogen. In den USA müssen schon jetzt alle Strom- und Gastransaktionen binnen 15 Minuten im Internet veröffentlicht werden.

Dort befassten sich neben den Behörden auch sehr viele Analysten mit den Daten der Marktteilnehmer. Bedeutsam wäre ein solches Datensystem zur Marktaufsicht auch in Europa laut Boltz nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Verhalten von Hedgefonds, die vermehrt die Rohstoffmärkte für sich entdeckt hätten.

Verbindliche Definition noch ausständig

Bis es zu tatsächlich verbindlichen europäischen Verordnungstexten und gesetzlicher Umsetzung eines Systems gegen Marktmanipulation mit Strom- und Gasprodukten kommt, müssen Experten zunächst verbindliche Definitionen für die Vergehen finden. Missbrauch gebe es in vielen Formen, so Boltz. Das beginne beim Zurückhalten verfügbarer Erzeugungskapazitäten, wodurch Preise künstlich nach oben getrieben würden. Das sei ebenso wie Preisabsprachen aber in der Regel Sache des Wettbewerbsrechts.

Ein großes Feld könnten Insiderfälle werden. Generell ist davon die Rede, wenn Personen oder Firmen durch Verwendung exklusiv vorliegender Informationen Preisvorteile erzielen. Boltz nennt ein Beispiel: Erfährt ein Gasförderunternehmen von einem technischen Gebrechen auf einer seiner Gas-Plattformen, deckt sich zunächst selber auf den Märkten ein und informiert erst dann alle anderen über das Gebrechen, ist das ein klarer Fall eines Insidergeschäfts. Preisvorteil für jenen, der die Produktion kontrolliert, Nachteile für den Mitbewerb. Ein Beispiel für Marktmissbrauch im Energiehandel gab es an der Energiebörse Nordpool für den skandinavischen Markt.

Vom gesamten Stromhandel in Europa laufen zwischen drei und 15 Prozent über Börsen, 60 bis 70 Prozent bilateral (zwischen Anbietern und Abnehmern) und 20 bis 30 Prozent über Broker. Über die bilateralen Transaktionen sei so gut wie nichts bekannt, sagte Boltz, und die Broker säßen irgendwo, womit die Aufsicht ebenfalls schwierig sei. An den Energiebörsen sei entsprechende Transparenz gegeben.

Boltz weiß von seinen Gesprächen mit Branchenvertretern, dass die Energiehändler eine einheitliche EU-Regelung begrüßen würden. Denn mittlerweile hätten viele Länder mit eigenen Regelwerken begonnen. "Die Händler haben Angst, dass in allen EU-Ländern nationale Gesetze entstehen." Für europaweit tätige Konzerne machte das das Geschäft schwierig und vor allem teuer.

Für Öl ist ein derartige Meldesystem aus derzeitiger Sicht im übrigen nicht vorgesehen. (APA)